Das zornige weiße Subjekt

KRISENFILM Billig gedreht: Paul Schraders „Dog Eat Dog“ zeigt selbstzerstörerische Typen auf dem Weg in ihren Untergang

Drei stumpfe Gangster (Nicolas Cage, Willem Dafoe und Christopher Matthew Cook) wollen ein letztes großes Ding durchziehen Foto: Promo

von Thomas Groh

Es ist die Zeit des narzisstischen Mavericks: Noch nicht einmal im Amt sorgt President-Elect Donald Trump bereits mit wenigen Tweets für Raureif in den diplomatischen Beziehungen der USA, für Dramen im Portfolio der Boeing-Aktionäre und wenn ihn jemand für seine Entgleisungen zur Rede stellt – wie gerade Meryl Streep bei den Golden Globes –, reagiert er wie ein gekränkter Achtjähriger.

Taktgefühl ist suspendiert, im New Vulgarianism ist Draufhauen das Gebot der Stunde. Vielleicht ist das ein Grund, weshalb es interessant sein mag, sich noch einmal dem postmodernen Gangsterkino der Neunziger zuzuwenden: Großmäuler, nervöser Überschuss und stumpfe Brutalität bilden schließlich den maßgeblichen Stoff dieses Subgenres, das damit Auskunft gibt über das zornige weiße Subjekt, das sich stets zu kurz gekommen sieht.

Einen Nachzügler zu diesem Filmzusammenhang hat nun der mit den Widrigkeiten der US-Filmindustrie immer wieder hadernde Regisseur Paul Schrader vorgelegt. Der ist ziemlich seltsam, aber gerade auch deswegen interessant geraten. Am Samstag kann man den Direct-to-DVD-Reißer „Dog Eat Dog“ (2016) nun bei den „Fantasy Filmfest Nights“ auf großer Leinwand sehen. Wenn ein dem New-Hollywood-Dunstkreis entsprungener Filmemacher wie Schrader, der Klassiker wie „American Gigolo“, „Mishima“ und „Katzenmenschen“ gedreht und die Drehbücher zu Scorsese-Meisterwerken „Taxi Driver“ und „Wie ein wilder Stier“ verfasst hat, einen nach epigonalem Tarantino-ismus riechenden Film der niedrigeren Preisklasse auf den Markt wirft, gehen die Augenbrauen unweigerlich nach oben.

Doch thematisch fügt sich auch „Dog Eat Dog“ gut ein ins Werk des Regisseurs, der mit Vorliebe selbstzerstörerische Typen auf den Weg in ihren Untergang umkreist. In „Dog Eat Dog“ sind das drei stumpfe Gangster (Nicolas Cage, Willem Dafoe und Christopher Matthew Cook), die hier ein letztes großes Ding durchziehen wollen und dabei an ihrem eigenen Größenwahn, ihrem Unvermögen und ihren Aggressionen scheitern. In dieser Ballung von White-Trash-Americana – gleich zu Beginn steht der Auftritt eines Waffennarrs – kann man dem politisch Unbewussten der USA bestens beim Brodeln zusehen.

Hinter nostalgischen Reminiszenzen ruht ein eigentümlich freier Film

Laut Schrader selbst, der hier nach unschönen Erfahrungen endlich wieder das Privileg genießt, über jede Facette seines Werks zu verfügen, ist dies „ein unwichtiger Film“: Schnell, billig und industrie-fern runtergedreht – weite Teile der Crew rekrutieren sich aus der Games-Industrie und arbeiteten erstmals an einem Film. Der ausgestellte 90er-Zierrat an der Oberfläche irritiert auch zunächst, etwa wenn Willem Dafoe zu Beginn den entfesselten Maniac auf Drogen gibt, der in einem White-Trash-Albtraum von Lebenswelt seiner fettleibigen Freundin den Garaus macht, während dazu zynisches Gedudel läuft. Selbst Tarantino dreht solche Filme mittlerweile anders. Doch hinter solchen Reminiszenzen an die ihrerseits längst ins nostalgisch zitierbare Sediment abgesackte Zeit, als im Zuge von „Pulp Fiction“ coole Gangster- und Gewaltfilme die Videothekenregale fluteten, ruht ein eigentümlich freier Film.

Schrader begreift „Dog Eat Dog“ gerade wegen dessen Schundigkeit als Möglichkeit zum formalen Experiment. Stil und Tonfall wechseln in hoher Geschwindigkeit die Register. Keine Passage gleicht der anderen. Am Ende steht gar ein von Nicholas Winding Refns expressiver Farbgebung inspirierter, darin ziemlich wahnwitziger Showdown, der den filmischen Raum vollends im abstrakten Spiel aus Licht und Farbe auflöst.

Schrader reagiert damit gleichermaßen auf die neue Freiheit wie die neue Wurschtigkeit des digitalen „Post-Rules-Cinema“, in dem das einstige Ideal des einheitlichen Stils einer rasanten Abfolge widersprüchlicher Eindrücke weicht. Ein Krisenfilm, der damit auch viel mit der Gegenwart nicht nur Hollywoods zu tun hat. Die alten Regeln gelten nicht mehr – wer könnte das besser bestätigen als Trump? Oder eben Paul Schrader selbst: Nach der US-Wahl rief er seine Landsleute auf Facebook dazu auf, eine Trump-Administration mit Waffengewalt zu unterbinden. Wohin man auch blickt: narzisstische Mavericks.

„Dog Eat Dog“ bei den Fantasy Filmfest Nights (14. & 15. 1.) im Cinestar/Sony Center, Potsdamer Str. 4, 14. 1., 14 Uhr