Die Amateure auf der Matte

Teams der Woche: Zwei Berliner Mannschaften kämpfen in der Judo-Bundesliga. Doch selbst zum Derby zwischen SC Berlin und SV Georg Knorr verirrt sich kaum Publikum

Samstag, 16 Uhr: Sportforum Berlin, eine kleine Turnhalle. Auf der einen Seite steht ein kleines Büfett mit belegten Brötchen, Kuchen und Getränken aufgebaut, auf der anderen sind rund 50 Klappstühle um eine große Matte angeordnet, auf der weiß gekleidete Männer miteinander kämpfen. Die Atmosphäre ist familiär, jeder scheint hier jeden zu kennen, fremde Besucher werden sofort wahrgenommen. Das alles hat den Flair einer Schulsportveranstaltung, dabei findet hier ein Kampf der Judo-Bundesliga Männer statt, ein Derby gar zwischen dem Ausrichter SC Berlin und dem SV Georg Knorr.

Judo in Berlin ist hochklassig – und dennoch weitgehend unbeachtet. Das geringe Publikumsinteresse bedauert auch Joachim Thärig, Abteilungsleiter Judo/Karate beim SC Berlin. „Wir würden uns mehr Zuschauer wünschen“, gibt er zu, weiß aber, dass es in Berlin aufgrund der Konkurrenz schwer ist, die Öffentlichkeit für diese Sportart zu interessieren. „Über 90 Mannschaften spielen in Berlin in einer ersten Bundesliga. Da gehen wir einfach unter.“

Nachwuchssorgen im eigentlichen Sinne haben die Vereine dabei aber nicht. Unter Kindern und Jugendlichen ist es ein populärer Sport, viele Eltern nutzen ihn als „Erziehungshilfe“, denn Judo propagiert Werte wie Disziplin, Achtung, Respekt und Fairness. 1882 vom japanischen Pädagogen Jigoro Kano geprägt, steht „Ju“ für sanft nachgeben oder ausweichen, „do“ für Weg oder Grundsatz. Im Gegensatz zu anderen asiatischen Kampfsportarten gibt es keine kriegerischen und tödlichen Techniken, die Intention lautet Selbstverteidigung, was Judo auch für viele Frauen attraktiv macht.

Doch anders als bei Fußballern, Eishockey-Spielern oder Boxern besteht in Deutschland für Judokas keinerlei Aussicht, damit einmal den Lebensunterhalt zu bestreiten. Bezahlt wird hier keiner, es ist ein reiner Amateursport. Sponsoren sind Mangelware, ohne Zuschüsse der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin wäre der Ligenbetrieb überhaupt nicht aufrechtzuerhalten.

Das fehlende finanzielle Umfeld führt dazu, dass viele wieder abspringen, bevor sie das Leistungssportniveau erreichen. „Die meisten hören mit 16, 17, 18 auf. Sie haben mit Ausbildung oder Beruf andere Prioritäten, können dann nicht den ganzen Tag trainieren“, sagt Thärig. Trotz allem bringt Berlin in dieser Disziplin immer wieder Weltklasse-Athleten hervor. Von hier kamen unter anderem der erste deutsche Weltmeister (Detlef Ultsch, 1979) und der erste deutsche Olympiasieger (Dietmar Lorenz, 1980). Seitdem wurden weitere Olympia-, WM- und EM-Medaillen in die Hauptstadt geholt. Sowohl der SC Berlin (früher SC Dynamo Berlin) als auch der SV Georg Knorr (bis vor kurzem Marzahner Judosportverein) hatten ihre Anteile daran.

Dass trotz aller Titel Judo hierzulande nur eine Randsportart ist, interessiert die am Samstag Anwesenden allerdings herzlich wenig. Auch wenn es am letzten Kampftag der Vorrunde um nichts mehr geht – unabhängig vom Ergebnis hat der SC Berlin seinen Play-off-Platz sicher, für den SV Georg Knorr ist es dagegen der letzte offizielle Saisonkampf – die Stimmung ist gut, die Kontrahenten kämpfen um jeden Zentimeter Matte. Ein Derby ist eben auch immer eine Prestigefrage, ein Kampf um Platz 1 in der Stadt, den letztlich, wenn auch denkbar knapp, der SC Berlin für sich entscheiden konnte. KERSTIN MORITZ