In einem Land voller Möglichkeiten

Abstimmen Die Prognosen zur schleswig-holsteinischen Wahl bringen die Demoskopen in Erklärungsnot

Flaggen-Foto Foto: : dpa

Unübersichtlicher war die politische Lage in Schleswig-Holstein selten. Ein halbes Jahr vor der Landtagswahl am 7. Mai kommen zwei Wahlumfragen zu gegensätzlichen Ergebnissen. So geraten die Demoskopen in Erklärunsnot: Eines der beiden Institute muss völlig daneben liegen.

Die Ausgangslage

Seit 2012 regiert in Schleswig-Holstein die sogenannte Küstenkoalition aus SPD, Grünen und SSW, zunächst Dänenampel genannt. Bei der Wahl am 6. Mai 2012 lag die CDU mit 30,8 Prozent hauchdünn vor der SPD (30,4 Prozent). Die Grünen erreichten 13,2 Prozent, FDP und Piraten jeweils 8,2 Prozent und der als Minderheitenpartei der Dänen und Friesen von der Fünf-Prozent-Hürde befreite Südschleswigsche Wählerverband SSW 4,6 Prozent. Die Linken flogen nach nur einer Legislaturperiode wieder aus dem Landtag. Für die Regierungsbildung reichten 35 Mandate (22 SPD, 10 Grüne, 3 SSW) gerade eben so aus. Die Opposition verfügt über 34 Mandate (CDU 22, FDP 6, Piraten 6).

Die Prognosen

Am 19. Oktober 2016 ermittelte das Institut Insa im Auftrag der Bild-Zeitung einen stabilen Vorsprung von vier Prozent für die Küstenkoalition. SPD mit 31, Grüne mit 13 und SSW mit 4 Prozent erreichten demnach zusammen 48 Prozent, fast das gleiche Ergebnis wie 2012. Die CDU käme auf 26 Prozent und die FDP auf 12 Prozent, die AfD zöge mit 6 Prozent in den Landtag ein. Zusammen wären das oppositionelle 44 Prozent. Die Linken verpassten mit 4 Prozen den Wiedereinzug, die Piraten flögen mit nur einem Prozent aus dem Landeshaus. Acht Wochen später, am 9. Dezember, ermittelte das Institut Infas für den NDR hingegen Wechselstimmung. Demnach stürze die SPD auf 26 Prozent ab, die Grünen erreichten 15 Prozent und der SSW 3 Prozent: Mit zusammen nur noch 44 Prozent wäre keine Fortsetzung der Koalition möglich. Die gesammelte Opposition aus CDU (34 Prozent), FDP (9 Prozent), AfD (6 Prozent) und Linken (5 Prozent) käme auf 54 Prozent. Die Piraten blieben, einzige Übereinstimmung der beiden Umfragen, mit nur einem Prozent draußen.

Die Optionen

Während nach der Insa-Umfrage die Küstenkoalition klaren Kurs halten könnte, eröffnete die Infas-Umfrage etliche Möglichkeiten. Fast eine Zwei-Drittel-Mehrheit gäbe es für die Große Koalition aus CDU und SPD mit zusammen 63 Prozent – unter einem CDU-Ministerpräsidenten Daniel Günther. Das wäre das vorzeitige politische Ende für den amtierenden Regierungschef Torsten Albig (SPD) und somit der erste Grund, warum es zu diesem Bündnis nicht kommen wird. Der zweite Grund sind die bis heute nicht vollständig verheilten gegenseitigen Verletzungen aus der Großen Koalition von 2005 bis 2009 unter den beiden Kriegshäuptlingen Peter Harry Carstensen (CDU, Ministerpräsident) und Ralf Stegner (SPD, Innenminister und Landesparteichef).

Eine klare Mehrheit gäbe es mit 58 Prozent auch für eine schwarz-grün-gelbe Jamaika-Koalition aus CDU, Grünen und FDP. Für die klassische rot-grün-gelbe Ampel aus SPD, Grünen und FDP reichten 50 Prozent ebenfalls für eine Mehrheit der Mandate, selbst Schwarz-Grün hätte mit 49 Prozent eine knappe Mehrheit im Parlament.

Die Zweifel

Die Infas-Umfrage wurde zwei Wochen nach der Kür des neuen CDU-Landesvorsitzenden und designierten Spitzenkandidaten Daniel Günther durchgeführt. Und das nährt doch einige Zweifel am überraschenden Ergebnis für die CDU. Denn zugleich erklärten nur 20 Prozent der Befragten, sie seien mit Günther zufrieden, 60 Prozent hatten keine Meinung zum neuen CDU-Chef oder kannten ihn gar nicht erst. Günther also kann nicht der Grund für den plötzlichen Aufschwung der CDU sein, die Partei selbst nach den langwierigen Streitereien und dem Rücktritt des bisherigen Spitzenkandidaten Ingbert Liebung Ende Oktober ebenfalls nicht. Hinzu kommt, dass bei einer Direktwahl nur 23 Prozent für Günther stimmen würden, aber 50 Prozent für SPD-Ministerpräsident Albig. Der landet zudem mit 55 Prozent Zustimmung auf dem dritten Platz der beliebtesten Politiker. Vor ihm rangieren nur noch FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki mit 56 Prozent und auf dem Spitzenplatz mit 57 Prozent – Robert Habeck.Sven-Michael Veit