Syrer stirbt nach Prügelattacke

Gewalt 15-jähriger Flüchtling erliegt seinen schweren Verletzungen. Hintergründe der Tat in Bremen-Blumenthal sind unklar. Staatsanwaltschaft vermutet Kurden als Täter

Sieht eigentlich ganz friedlich aus: das Viertel Bremen-Blumenthal Foto: imago

Aus Bremen Jan Zier

Ein 15-Jähriger ist mehrere Tage nach einer Prügelattacke in der Silvesternacht in Bremen im Krankenhaus gestorben. Nach Polizeiangaben stammte der Jugendliche aus Syrien.

Von einem fremdenfeindlichen Hintergrund gehen die Ermittlungsbehörden derzeit nicht aus, wie Frank Passade, Sprecher der Staatsanwaltschaft Bremen, mitteilte. Im Moment gebe es keine Hinweise darauf, dass Deutsche an der Tat beteiligt gewesen seien. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen des Verdachts des vollendeten Totschlags. Ihre bisherigen Ermittlungen darauf deuten nach eigenen Angaben darauf hin, „dass der oder die Täter aus dem kurdischen Kulturkreis stammen“.

Der Jugendliche war in der Silvesternacht in Stadtteil Blumenthal in Bremen-Nord von mehreren jungen Männern angegriffen worden und hatte dabei schwere Kopfverletzungen erlitten, sagte die Polizei. Er musste in ein künstliches Koma versetzt werden. Am Samstag starb der 15-Jährige. Laut der Staatsanwaltschaft flüchtete das Opfer zunächst in den Partyraum eines Lokals, wurde dort aber von der Verfolgergruppe gestellt und körperlich schwer misshandelt. Ein Gast habe den Rettungsdienst alarmiert, die Polizei sei aber erst zwei Stunden später informiert worden – von der Familie des Opfers.

„Wir stehen fassungslos vor dieser ungehemmten Grausamkeit“, sagte die grüne Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck: „Ein junger Mensch entflieht dem Grauen in Syrien. Mit der Hoffnung auf eine bessere Zukunft erreicht er das scheinbar rettende Deutschland, dann Bremen, und wird dort auf grausame Weise getötet.“ Die SPD in Blumenthal forderte eine „zügige Aufklärung“ und eine „konsequente“ Bestrafung der TäterInnen. Zugleich mahnten die Sozialdemokraten „Besonnenheit“ an, „bis die Umstände der Tragödie aufgeklärt“ seien.

Opfer flüchtete in ein Partylokal und ­wurde dort schwer misshandelt

Die Tat ereignete sich in der Lüssumer Heide, etwa 30 Kilometer von der Innenstadt entfernt, die als Banlieue Bremens gilt. Der Polizei behandelte die Lüssumer Heide in der Vergangenheit als „Gefahrenort“, vor allem wegen „bandenmäßigen“ Drogenhandels und Diebstählen. Bremen-Nord hat etwa 110.000 BewohnerInnen, 31.000 Arbeitsplätze und mittlerweile viele wirtschaftliche und soziale Probleme. Einer der wichtigsten regionalen Arbeitgeber, die Bremer Vulkan AG, machte 1997 dicht. Die Großwerft bot früher 6.500 Arbeitsplätze.

Blumenthal wiederum war jahrzehntelang von der Bremer Wollkämmerei beherrscht, die 2009 endgültig dicht machte und einst 5.000 Menschen beschäftigte. Das an der Weser liegende Firmengelände ist größer als der Vatikan, steht zu großen Teilen leer und ist weitgehend denkmalgeschützt.

„Bremen-Nord ist mittlerweile abgehängt von der Entwicklung in Bremen und Bremerhaven“, sagt Ingo Schierenbeck, Hauptgeschäftsführer der Bremer Arbeitnehmerkammer. „Die Zahl der Arbeitsplätze ist in den letzten Jahren massiv gesunken, auch die Bevölkerungszahl sinkt.“ Die Mieten sind vergleichsweise günstig, doch das Durchschnittseinkommen liegt deutlich unter dem in der Stadt Bremen. „Hier ist mittlerweile eine deutliche Schieflage entstanden“, so Schierenbeck.