Getränk holen, jemand anbaggern, völlig egal

Analoge Elektronik Brandt Brauer Frick sind für viele die Band, die Techno für Menschen macht, die mit Clubmusik nichts anfangen können. Wie falsch das ist, zeigt ihr großes Album „Joy“

Die Herren Elektroniker Brandt, Brauer und Frick – ohne ihren neuen Sänger Foto: Because Music/Warner

Von Stephanie Grimm

Die Freude ist ein in unserer Lebenswelt überstrapaziertes Konzept. Das bestätigt jeder Rundgang in einer x-beliebigen Drogeriemarkt-Filiale: Kaum ein Duschgel oder Kräutertee kommt ohne das Versprechen aus, großflächig und tiefspurig Freude zu schenken. Die Verhältnisse geben allerdings wenig Anlass, sich zu freuen, mit Angst wird tagtäglich Politik gemacht. Trotzdem: Ohne Freude kann der Mensch nicht – und das macht sich zunutze, wer etwas zu verkaufen hat.

Angesichts dieser Überfrachtung überrascht es nicht, dass „Joy“, das neue Album der Berliner Band Brandt Brauer Frick (BBF), bekannt geworden sind sie als Analog-Techno-Combo, am En­de doch sehr melancholisch klingt. Wie kann man sich in einer aus den Fugen geratenen Welt richtig fühlen? Die Frage scheint fast jeden Song zu grundieren.

Mit so viel Soulfulness machen BBF ein neues Kapitel auf. Ihre bisherigen Alben waren eine bisweilen blutleere Ansammlung cleverer Ideen. Mitreißend wurden ihre Musik erst durch ihre ausgesprochen musikalischen Liveauftritte, ob nun in Clubs oder Konzerthäusern. Weil sie die repetitiven Muster elektronischer Tanzmusik mit den Klangwelten der Klassik zusammenbrachten, sind BBF für viele die Band, die Techno für Menschen macht, die mit Clubmusik nichts anfangen können – eine Zuschreibung, die bei ihnen inzwischen Augenrollen auslöst: „Das war nie unser Ziel“, stellt Schlagzeuger Daniel Brandt klar. Sein Mitstreiter am Klavier, der einstige Kompositionsstudent Paul Frick, fügt hinzu: „Aber schön, wenn wir Menschen eine gute Idee mitgegeben haben, die sie sonst nicht interessiert hätte.“

Eine Idee jedoch, die sie gerade selbst nicht spannend finden. Clubsounds begeistern sie dieser Tage selten, deren gradlinige Funktionalität nervt sie. „Oft läuft da so ein Tech-House-Sound aus einem Guss durch, man muss sich nicht überlegen, wie man dazu steht. Man kann sich einen Getränk holen, jemand anbaggern – völlig egal“, schimpft Frick.

Statt es sich in ihrer Nische gemütlich zu machen, haben sich die drei Musiker aufgemacht ins unübersichtliche Feld der experimentellen Popmusik. Electronic-Dance-Music-Elemente und Artrock-Ambitionen stecken in „Joy“, darunter komplexe Rhythmen, denen man die Begeisterung für Dubstep anhört. Und, die wohl bemerkenswerteste Neuerung: richtige Songtexte.

Bald zieht Beaver Sheppards warme, schwermütige und doch unruhige Stimme die Aufmerk­samkeit auf sich

Versuche, mit der Stimme zu arbeiten, hatte es bereits auf dem Vorgängeralbum „Mia­mi“ gegeben. Allerdings wurde der Gesang da über die fertigen Tracks gelegt, eher unorganisch wirkte das Resultat. Dass das neue Album stringenter wirkt, liegt wohl auch daran, dass sich das Trio mit dem exzentrischen kanadischen Dichter Beaver Sheppard zusammengetan hat. Weil er nicht im Bandnamen vorkommt, schmückt sein Antlitz nun das Cover von „Joy“. Garstig lachend, mit eher gequältem Ausdruck kommentiert Sheppard das Titelthema.

Mit dem neuen Bandmitglied entwickelten sie zugleich einen neuen Arbeitsansatz. Von den Songs komponierten sie einfache Versionen, „so songwritermäßig mit Gitarre“ (Brandt), die Melodie entwickelten sie um Sheppards Gesang herum. Dabei entstanden sind ein paar großartige und etliche gute Songs. Bei den ersten Durchgängen sind es vor allem Rhythmen, der verstolperte Beat in „Holy Night“ zum Beispiel, die einen hinhören lassen, bald aber zieht dann Sheppards warme, schwermütige und doch unruhige Stimme die Aufmerksamkeit auf sich.

Und mit der Zeit entdeckt man, was alles in ihren eklektizistischen Sound eingeflossen sind, „Keep Changing“ etwa klingt sogar nach Folkpop. Ein Album, in dem viel steckt – außer eben die Funktionalität, die für BBF den Dancefloor derzeit so unattraktiv wirken lässt. „Joy“ ist keine Gebrauchsmusik, die man aufdrehen kann, um sich an trüben Tagen wieder in die Spur zu bringen. Eine Wundertüte an Einflüssen allerdings, die über Bande gespielt doch tröstlich wirkt.

Brandt Brauer Frick: „Joy“ (Because Music/Warner). Live am 15. Februar im Strom, München