Jede Menge Durchblick

ORTSTERMIN Vorstellung des Abrechnungsbuchs über das öffentlich-rechtliche System

Siebenhaars Buch schunkelt sich derweil durch die Skandale und Abgründe der Öffentlich-Rechtlichen

Wenn ein Werk „Die Nimmersatten“ heißt und im Untertitel gleich noch „Die Wahrheit über das System ARD und ZDF“ verspricht, muss man dabei sein. Also rein in den Münzsalon zu Berlin-Mitte, der mit seiner behäbigen Patina nicht schlecht zur gemächlich-öffentlich-rechtlichen Anstaltsgemütlichkeit passt. Zumal die Buchvorstellung auch noch von einem prominenten Gast bestritten wird, der zwar gerade keine ganz so große Aufgabe im deutschen Fernsehmarkt mehr hat wie früher, aber immer noch jede Menge Durchblick. Ex-RTL-Chef Gerhard Zeiler sagt also, auch er habe im Buch des Handelsblatt-Medienkollegen Hans-Peter Siebenhaar noch Neues gelernt, „zum Beispiel, dass eine ZDF-Tochter in Polen an einem Pay-Schunkelsender beteiligt ist“, was tief blicken lässt, also jetzt nicht beim Zeiler, aber beim öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehen.

Siebenhaars Buch schunkelt sich durch die Skandale und Abgründe, die das gebührenfinanzierte System in den letzten Jahren heimgesucht haben. Und an seinem Fazit, das mehr Transparenz bei ARD und ZDF fordert, ist nichts zu rütteln. Auch die Legitimation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insgesamt, vor allem die Finanzierung, sei so ziemlich in der Hose, meint der Autor. Da wurde es schon komplizierter, und dann spielte auch noch der Zeiler gar nicht mit.

Denn der hatte kurzfristig vergessen, dass er mal bei RTL war, und erinnerte sich als gelernter Österreicher vielmehr an seine Zeit als Generalsekretär und -intendant des Österreichischen Rundfunks. Anstatt aus der Sicht des Privatfunks in die Sahne zu hauen, outete er sich „als großer Fan von ARD und ZDF“ und sagte Sätze wie „das öffentlich-rechtliche System gehört in Europa zu unserer Gesellschaftsform dazu“. Und dass es im „Norden“ – für Zeiler: Deutschland – da besser laufe mit der Unabhängigkeit als im „Süden“, wozu er „auch Österreich“ zählt. Anders als Siebenhaar hält Zeiler ARD und ZDF auch für gar nicht für so schwer reformierbar. „Das muss aber von der Politik erfolgen“, sprach er, der sich mit seinem Auftritt als höchst intendantabel empfahl. (Bei der Deutschen Welle wird ja gerade gesucht, aber das passt auch nicht so recht). Die Politik konnte Zeilers Rat und Siebenhaars Appelle gar nicht hören: Sie hatte keine Zeit für lustige Buchvorstellungen. Sondern musste in einer nächtlichen Bundestagssitzung das Leistungsschutzrecht an die Ausschüsse verweisen. STG

■ Hans-Peter Siebenhaar: „Die Nimmersatten“. Eichborn, 242 Seiten, 14,99 Euro