Angekratzte Erfolgsstory

StudieSeparation in Flüchtlingsklassen funk­tioniert nicht, sagen HU-Wissenschaftler

Es ist eine der Lieblingsgeschichten der Berliner Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD), sie erzählt sie gerne als ihre persönliche Erfolgsstory und sie geht so: Über 20.000 geflüchtete Kinder habe man in den letzten Jahren in das Berliner Schulsystem integriert. Das zentrale Konzept der Senatorin, die gerade für eine zweite Amtszeit wiedergewählt wurde: die Willkommensklassen. Kleine Lerngruppen, in denen geflüchtete Kinder, aber auch grundsätzlich jedes andere Kind mit geringen Sprachkenntnissen, erst mal Deutsch lernen sollen, bevor sie dann in die regulären Klassen wechseln.

Rund 12.500 Kinder lernen aktuell Deutsch in solchen Extraklassen – zehnmal so viele wie noch 2012, kurz nachdem die Willkommensklassen eingeführt wurden und vor der großen Flüchtlingskrise im vergangenen Jahr.

Nun kratzt eine Studie des Berliner Instituts für empirische Migrations- und Sozialforschung an der Humboldt-Universität Berlin an dieser Erfolgsgeschichte. Die Wissenschaftlerinnen hatten über sieben Monate lang den Unterricht in 18 Willkommensklassen an Grundschulen in verschiedenen Berliner Bezirken begleitet, sowie mit den Eltern der Kinder und den Lehrkräften gesprochen. Die Soziologinnen wollten wissen, ob man durch Separation tatsächlich bessere Ergebnisse erreicht, als wenn man die Kinder einfach in normalen Klassen gesetzt hätte.

Das Ergebnis: kommt drauf an. „Immer wenn sich die Schulen ein Konzept machen, wenn sie es als Projekt der gesamten Schule betrachten, dann kann die Integration trotz der Separation in Willkommensklassen erfolgreich sein“, sagt Birgit zur Nieden, eine der Autorinnen der Studie. So sei es zum Beispiel für den Lernerfolg und die Integration der geflüchteten Kinder förderlich gewesen, wenn man die Extraklassen für Fachunterricht wie Musik, Sport oder Kunst aufgebrochen hat. „An immerhin vier Schulen, die wir untersucht haben, war das allerdings nicht Praxis“, sagt zur Nieden.

Viel schlechter stünde es dagegen um die Integration der WillkommenslehrerInnen ins restliche Kollegium. Gerade weil es kein festes Curriculum für die Willkommensklassen gebe und auch der Übergang in die regulären Klassen nicht genau geregelt sei, sei aber Kommunikation entscheidend: „Wenn die Lehrkräfte in den Willkommensklassen nicht wissen, was in den anderen Klassen passiert, wie soll dann ein guter Übergang für die Kinder funktionieren?“

Der Übergang wird auch in den nächsten Jahren ein zentrales Thema bleiben. Birgit zur Nieden hat die Befürchtung, dass sich „Parallelstrukturen“ entwickeln könnten: weil die Klassen an den Berliner Schulen ohnehin schon sehr voll sind, weil der Übergang nicht klar geregelt ist. Die Politik sei nun gefordert, so zur Nieden, damit man mittelfristig nicht Schulen mit reinen Flüchtlingsklassen habe. Denn noch einen anderen Aspekt dürfe man schließlich nicht vergessen: Separation bedeute immer auch Stigmatisierung. Anna Klöpper

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