Tanzen zur Krise, besinnungslose Weihnachtsmärkte und allerlei Geschenkideen
: Die Seele auf Abflug

Ausgehen und Rumstehen

von Thomas Mauch

Wer noch auf der Suche nach einem wirklich passenden, auch intime Nähe herstellendem Geschenk ist – ich sage mal: Socken. Kann man immer brauchen.

In der Stadt riecht es nach gebrannten Mandeln. Was an den jahresendzeitlichen Routinen liegt, die wiederum dafür sorgen, dass die Zeit vollgepackt ist mit lauter Weihnachtsirgendwas.

Weihnachtsmärkte zum Beispiel. Der auf dem Alexanderplatz ist an diesem letzten Adventswochenende eine Freude für alle, die kuschelige Nähe suchen –, also drängelnd voll an Menschen auf der Pirsch, sodass die rechte Besinnungslosigkeit aufkommt. Der Weihnachtsmarkt wurde allerdings auch nur ganz kurzfristig und wider besseres Wissen auf dem Weg zum Weihnachtsgeschenke-Besorgen ins Programm aufgenommen. Wegen einer Hungerattacke. Eine Weihnachtsbratwurst erledigte schnell und vollkommen zufriedenstellend den Job.

Socken gibt es übrigens auch in einer durchaus avancierten Form, als japanische Zehensocken. Die wohl noch nicht so weit oben stehen im allgemeinen Geschenkprogramm. Im darauf spezialisierten Geschäft in der Schönhauser gab es jedenfalls eine geradezu unweihnachtliche Ruhezone zu entdecken. Drumherum in den Läden war alles hektisch und voll, bei den Socken fand man sich allein in stiller Kontemplation. Nur ein weiterer Punkt mehr für diese Strickwaren. Außerdem fand am Wochenende die taz-Weihnachtsfeier statt. Es wurde mächtig getanzt. Soweit ich das richtig überblicken konnte, am glücklichsten und geradezu euphorisch zu „Get Deep“ von Karizma und einem alten Hit von Adriano Celentano: „Svalutation“. Darin geht es um die ökonomische und politische Krise in Italien in den Mittsiebzigern – „Mah, siamo in crisi …“ Eine Zeile, die man getrost auf die ganze Welt ausdehnen kann.

Sehnsüchtige Musik

Als gerade mal wieder die Evakuierung von Ost-Aleppo gestoppt wurde, stellten am Sonntagabend im ehemaligen Stummfilmkino Delphi in Weißensee Musiqana in einem Konzert ihre Debüt-CD vor. Die Berliner Band um den Sänger Abdallah Rahhal gibt es erst seit knapp einem Jahr, gegründet wurde sie von Musikern, die 2015 als Flüchtlinge aus Syrien nach Deutschland kamen.

Hübsch abgestimmt zur Musik wurde der schön mit einem Bogen überwölbte Bühnenraum des Delphi mit Projektionen von ornamentalen Motiven aus der Baumoderne ins Orientalische verschoben, während Musiqana ihre melancholisch gestimmte, sehnsüchtige arabische Musik spielten. Eine meist im getragenen Tempo vorgetragene Tarab-Musik. Die man sich, wie vorab in einer kleinen Geschichte erklärt wurde, wohl als eine Art Flugunternehmen vorstellen muss, für die Musiker selbst und das Publikum. Tarab soll nämlich mit der Seele zu schaffen haben, die mit auf eine Reise genommen wird. Abheben soll sie im Flug, mit Euphorie und Ekstase als Ziel.

Im Delphi war dann an diesem Sonntag die Reise der Seele mehr so ein Mittelstreckenflug. Unterwegs erinnerte er einen auch daran, dass es bei Tarab und der arabischen Musik durchaus Verwandtschaften zum musikalischen Schengen-Raum gibt, mit Griechenland etwa oder dem spanischen Flamenco.

Wirklich gespannt aber darf man auf das nächste Album der Band sein. Hat doch Sänger Abdallah Rahhal versprochen, dass sich darauf dann mindestens ein Lied finden soll, das auf Deutsch gesungen ist. Und bis dahin hat man schon mit der aktuellen CD der Band eine gute Einstiegshilfe zur Tarab-Musik.

Kann man gut auch verschenken. Wenn es partout keine Socken sein sollen.