Nicolás Maduro macht einen Rückzieher

VenezuelaNach Protesten lässt der Präsident den 100-Bolívares-Schein wieder als Zahlungsmittel zu

BUENOS AIRES taz | Proteste und Plünderungen, verwüstete Banken, Hunderte von Festgenommenen und zahlreiche Verletzte: In Venezuela herrscht Chaos wegen Mangels an Bargeld. Jetzt ruderte Präsident Nicolás Maduro zurück. Er ließ den 100-Bolívares-Schein bis zum 2. Januar wieder als Zahlungsmittel zu, verschob die angekündigte Einführung neuer Geldscheine auf unbekannte Zeit und verlängerte zugleich die Grenzschließungen zu den Nachbarländern Kolumbien und Brasilien bis nach dem Jahreswechsel. Lediglich Familienbesuche an den Festtagen sind erlaubt.

Maduro hatte vor einer Woche das Ende des 100er-Scheins dekretiert und die Grenzen dicht machen lassen. Begründung: ausländische Mafia-Gruppen horteten Geldscheine. Dadurch werde das Angebot an Bolívares künstlich verknappt, um den Schwarzmarktkurs des Dollars in die Höhe treiben.

In nur drei Tagen sollte die Bevölkerung ihre nun wertlosen Scheine bei den Banken umtauschen. Wer das nicht schaffte, sollte weitere zehn Tage Zeit haben, seine Hunderter zu wechseln. Als das Chaos sich ausbreitete, verkürzte Maduro die Frist auf fünf Tage.

Der 100-Bolívares-Schein ist die größte venezolanische Banknote und in dem Land mit der weltweit größten Inflationsrate als Zahlungsmittel unverzichtbar. Nach Angaben der Zentralbank machen die über 6 Milliarden Scheine knapp die Hälfte des im Umlauf befindlichen Bargeldes aus. Die für vergangenen Donnerstag angekündigte Ausgabe neuer 500er-Scheine fand nicht statt. Die im Ausland bestellten Banknoten waren nicht eingetroffen. Maduro verkaufte seinen Rückzug als Erfolg. „Wir haben knapp 4,3 Milliarden 100-Bolívares-Scheine eingesammelt.“ Vor der Aktion wären nur fünf Prozent der 100er-Scheine im Umlauf gewesen, „Jetzt stehen uns wieder mehr als 70 Prozent zur Verfügung,“ so der Präsident am Samstag. Der Schwarzmarktkurs für den Dollar fiel in den vergangenen Tagen von über 4.000 Bolívares auf rund 2.500 Bolívares für einen Dollar. Der Run mit den 100er-Scheinen auf die Banken im eigenen Land und nicht auf die Wechselstuben im kolumbianischen Grenzgebiet sorgte offensichtlich für einen Kurssturz.

Das Bargeldsammeln könnte noch einen anderen Zweck gehabt haben. So liege auf Maduros Schreibtisch ein Dekret zur Verstaatlichung der Privatbanken. Das Überleben der Revolution von Hugo Chávez hänge von der politischen, militärischen und finanziellen Kontrolle ab, so der Journalist Gustavo Azócar Alcalá im regierungskritischen Nachrichtenportal La Patilla. Die beiden ersten seien sichergestellt. Die Kontrolle über den Finanzbereich fehle noch. Jürgen Vogt