Indietronic-Sound von Leichtmetall: Ein Tick neben der Spur
Leicht sediert und schwer versponnen: Das Elektronik-Duo Leichtmetall und sein neues Album „Mit dem Bauch an die Wand“.
Almut Klotz sprach es aus, das Dilemma des kunstvollen Dilettantismus. In ihrer postum erschienenen Autobiografie schreibt die vor drei Jahren verstorbene Künstlerin, Frauen beklagten sich gern, sie seien in der Musikszene unterrepräsentiert. Dabei beschäftige sich „kaum ein Mädchen“ wirklich mit seinem Instrument, so die Behauptung von Klotz.
Ein Seitenhieb gegen das Laisser-faire von DiY, mit dem viele Kolleginnen im Indiesektor kokettieren – so wie, nun ja, einst auch Klotz mit ihrer eigenen Band, den Lassie Singers. Wer alles selber macht und danach klingen mag, inszeniert sich als Herrin über Produktionsmittel, macht sich dabei aber auch angreifbar: Lässige, vermeintlich nachlässige Frauen gehen stets das Risiko ein, unterschätzt zu werden.
Solche Überlegungen führt Marion Dimbath ad absurdum. Die Multiinstrumentalistin aus München spielte schon in vielen Bandprojekten, einst auch Posaune bei den Discopophelden Merricks. Und dennoch gehören Lo-Fi-Schrullen zum Programm ihres eigenen Bandprojekts Leichtmetall.
Schrullen und Preziosen
Gerade hat das Duo nach längerer schöpferischer Pause sein drittes Album, „Mit dem Bauch an die Wand“, veröffentlicht. Es ein Sammelsurium erstaunlicher Song-Preziosen. Als Chanson-Pop könnte man den Stil des Duos bezeichnen, würde das nicht nach Sonderpostentisch bei Weltbild klingen. Für das neue Album habe sie sich auf die Anfangstage der Band besinnen wollen, sagt Dimbath. Doch dafür musste sie erst einmal alles auf links drehen. Nach Album Nummer zwei, „Wir sind Blumen“, erschienen 2006, war das Projekt zum Stillstand gekommen.
Nicola Schüpferling, Gründungsmitglied von Leichtmetall, verließ die Band aus Zeitgründen, Dimbath selbst war sich im Unklaren darüber, wohin sich ihre Musik entwickeln sollte. Erst als ein Bekannter sie vor zwei Jahren fragte, ob sie nicht Lust hätte, wieder aufzutreten, reaktivierte sie die Band.
An Dimbaths Seite singt nun Anja Morell, eine Schauspielerin, keine ausgebildete Sängerin. Nach einer solchen habe Dimbath bewusst nicht gesucht. „Ich kann nicht professionell singen – und möchte es auch nicht lernen. Manche sagen, dieser Stil wirke mädchenhaft, aber ich mag es nun einmal ungekünstelt“, sagt sie. Frauen, die am Mikro stümpern: Zack – Niedlichkeitsverdacht. Doch so einfach macht es Leichtmetall den SkeptikerInnen nicht.
Das liegt einerseits am Faible der Musikerinnen für anachronistische Elektronik, das sich in Songs wie „Ich bin nur eine Maschine in deinem Leben“ offenbart. Skurril wie alte Commodore-Computer muten die an der Neuen Deutschen Welle geschulten Beats an. Seit ihrer Jugend sei sie ein großer Fan von Kraftwerk, erklärt Dimbath. Es sei das Statische im Sound der Synthesizer-Pioniere, das sie fasziniere.
Doch auch wenn zu den Spielzeug-Beats ein Akkordeon schwelgt, die Ukulele klimpert und die Glockenspiele klingeln: Nie flaniert Leichtmetall auf der Sonnenseite. Eher im Halbschatten sollte man sie suchen, bei den artverwandten, wenn auch morbider veranlagten Schweizerinnen Les Reines Prochaines. Mit ihnen hat Leichtmetall das schöne Talent gemein, Alltägliches einen Tick neben der Spur zu beschreiben. Songkomponistin Dimbath will „fliegen wie ein halber Ball“, schließlich gar den Mann vom Mond vertreiben. Als Dichterin sieht sie sich jedoch nicht; sie möge es schlichtweg, Sprichwörter oder Floskeln aus dem Kontext zu reißen.
Leichtmetall: „Mit dem Bauch gegen die Wand“ (Karaoke Kalk/Morr Music/Indigo).
So sei auch der Albumtitel ein Zufallsprodukt. „Mir gefällt, dass er so widersprüchliche Reaktionen auslöst“, sagt Dimbath. Manche würden „Mit dem Bauch an die Wand“ als Befehl lesen, sich zu ergeben, für andere bedeute der Albumtitel, sich vom Geschehen abzuwenden. Wie auch immer man die Pose deuten mag: Es ist ein merkwürdiges Bild, zugleich amüsierend und mildes Unbehagen auslösend. Ebenso wie die Symbole des Leblosen, mit denen Leichtmetall seinen Dada-Pop ausstaffiert: Dimbaths und Morells Partnerlook – uniforme Kleider und Perücken –, ihr leicht sediert wirkender Stereo-Gesang.
„Mit dem Bauch an die Wand“ ist ein Album, dass man nie unterschätzen sollte: Kein wurstiger Dilettantismus, sondern bittersüße Pop-Satire. Von Frauen, die gerade so viel Perfektion an den Tag legen, wie es ihnen beliebt.
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