Fünf Maßnahmen, um Europa zu verbessern
Foto: Dominik ButzmannUlrike Guerot, Professorin für Europapolitik und Demokratieforschung an der Donau-Universität Krems und Gründerin des European Democracy Lab, Berlin
1 Sofortige Suspendierung des Flüchtlingsabkommens mit der Türkei zur Rettung und Wahrung des europäischen Anstands. Stattdessen Einrichtung und Ausstattung einer europäischen Behörde für Flucht und Migration, die direkt mit interessierten Städten auf der Grundlage von finanziellen Anreizen die Verteilung von Flüchtlingen und Migranten vornimmt.
2 Sofortige „rote Linien“ zur Rettung der Demokratie gegenüber den Regierungen in Ungarn und Polen als Reaktion auf die Erosion der Rechtsstaatlichkeit (Unterwanderung der Verfassungsgerichtsbarkeit, Verbot von Zeitungen, „Austrocknen“ von NGOs et cetera). Und zwar durch Stimmrechtsentzug im Europäischen Rat und in den Ministerräten sowie durch Überweisungsstopp von EU-Finanzhilfen.
3 Erste Schritte zur Einführung eines europäischen Personalausweises auf der Grundlage der Bestimmungen zum „European Citizenship“ als Ausdruck der Teilhabe an der Unionsbürgerschaft. Als Erstes könnte dieser europäische Personalausweis jenen Briten überhändigt werden, die durch den Brexit ihre europäische Unionsbürgerschaft verlieren, dies aber – siehe viele Schotten und viele junge Briten – nicht wollen.
4 Erste Schritte zur Einführung einer allgemeinen europäischen Sozialversicherung, darunter zum Beispiel eine europäische Arbeitslosenversicherung (die als Vorschlag schon auf dem Tisch liegt!); aber auch eine allgemeine europäische Gesundheitskarte, mit der etwa Arztbesuche in ganz Europa, also allen Mitgliedstaaten der EU, ohne bürokratische Umstände möglich wären.
5 Initiative für europäische Wahlrechtsgleichheit für alle europäischen BürgerInnen bei den EP-Wahlen 2019. Dies würde bedeuten, die nächsten EP-Wahlen finden nach dem Prinzip statt: eine Person, eine Stimme; nach den gleichen Wahlmodi und mit transnationalen Listen, auf denen sich „echte“ europäische Parteien bewerben.
Perspektivisch müssten dann noch der Europäische Rat abgeschafft und das politische System der EU auf ein Zweikammersystem umgestellt werden, das dem Grundsatz der Gewaltenteilung genügt und in dem das Europäische Parlament volles Initiativrecht zuteil wird.
Und schließlich müssten die Regionen in der Entscheidungsfindung in Europa aufgewertet werden, um die sozioökonomische Teilung der Europäischen Union in städtische und ländliche Gebiete zu überwinden, wobei die ländlichen Gebiete zu Globalisierungsverlierern und mithin zur Brutstätte des europäischen Populismus werden. Dann wäre Europa schon nahe dran an dem, was man ein Bürgereuropa nennen könnte: ein Europa, in dem die Bürger und Bürgerinnen der Souverän und jenseits von nationaler Zugehörigkeit vor europäischem Recht alle gleichgestellt sind!