Konservative gewinnen Kuhhandel

ÖSTERREICH Der ORF kriegt 160 Millionen Euro extra, muss seinen Sparkurs aber fortsetzen

Der österreichische Rundfunk ORF wird in den nächsten Jahren weder bankrottgehen noch privatisiert werden müssen. Das ergab eine Einigung über ein neues Mediengesetz zwischen den österreichischen Koalitionsparteien, der sozialdemokratischen SPÖ und der konservativen ÖVP, die alle Merkmale eines politischen Kuhhandels trägt.

Die wichtigste Entscheidung: 160 Millionen Euro, die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk durch Gebührenbefreiungen entgehen, werden vom Staat ersetzt: 100 Millionen rückwirkend und 60 für die nächsten zwei Jahre. Im Gegenzug verpflichtet sich der ORF, zum „kontinuierlichen Ausbau“ von Eigenproduktionen fiktionaler Stoffe, zur Erhaltung des bedrohten Radio-Symphonieorchesters, zur Einrichtung eines Info- und Kulturkanals, zur Filmförderung und zum Ausbau des Angebots für Hör- und Sehbehinderte. Darüber hinaus muss das Sparprogramm – vor allem zu Lasten des Personals – fortgesetzt werden. Die Anzahl der kaufmännischen Direktoren wird von sechs auf vier verringert.

Dabei konnte die ÖVP die bisherige SPÖ-nahe Direktorin durch den Christdemokraten Richard Grasl ersetzen. Auch bei der Besetzung der Medienbehörde, die ORF wie private Sender kontrolliert, wird die ÖVP künftig mehr mitzureden haben. Alle Mitglieder sollen von der Regierung vorgeschlagen werden. Bisher war die Ernennung des Vorsitzenden ein Recht des Kanzlers – derzeit Werner Faymann, SPÖ.

Benachteiligt fühlen sich die privaten Sender, die ebenfalls 160 Millionen Euro einfordern. Die entsprechende Änderung des Mediengesetzes bedarf einer Zweidrittelmehrheit im Nationalrat. Die Oppositionsparteien, von denen mindestens eine zustimmen muss, wollen sich ihr Votum aber durch mehr Kontrollrechte abkaufen lassen.

RALF LEONHARD