„Danke, Österreich!“

In Kroatien jubelt die Presse. In der Bevölkerung gibt es auch Skepsis

SPLIT taz ■ In der kroatischen Presse ist die Freude über die Entscheidung der EU zur sofortigen Aufnahme von Verhandlungen mit dem Land groß. „Danke, Österreich!“ titelte die Wochenzeitung Nacional. Die Slobodna Dalmacija sieht in der Entscheidung einen Triumph für Premierminister Ivo Sanader. Die meisten Kommentatoren stellen heraus, dass es den Österreichern gelungen sei, mit ihrer kritischen Haltung dem Beitritt der Türkei gegenüber bei der britischen Präsidentschaft das Maximum für Kroatien herausgeholt zu haben. Denn die Briten stehen hier im Verdacht, die Aufnahme der Verhandlungen der EU mit Kroatien im Frühjahr dieses Jahres blockiert zu haben.

Das Volk auf den Straßen ist nicht so enthusiastisch. Bei Umfragen sprachen sich noch vor wenigen Wochen fast 50 Prozent gegen die EU aus. Weniger aus Solidarität für den vom Kriegsverbrechertribunal in Den Haag gesuchten Exgeneral Ante Gotovina als vielmehr aus Furcht vor den Gesetzesverschärfungen. Wie steht es mit den Bauvorschriften für Häuser, mit den Umweltbestimmungen, welche Waren werden teurer, was wird billiger? Der Beitritt zur EU ist aber nicht mehr Gegenstand ideologischer Debatten wie noch vor Jahresfrist.

Dass Carla del Ponte sich für Kroatien aussprach, rief allerdings Verwunderung hervor. Denn die streitbare Chefanklägerin des Kriegsverbrechertribunals in Den Haag hatte noch bei ihrem Besuch am Wochenende der kroatischen Regierung keineswegs einen Freifahrtschein für die EU ausgestellt. Sie beharrte dagegen unerschütterlich auf der Auslieferung von Ante Gotovina. Und so gehen auch die Medien davon aus, Carla del Ponte sei am Montag unter Druck gesetzt worden. „Endlich“, titelte die Zeitung 24 sata.

„Ich freue mich schon auf ihre Erinnerungen, wenn sie die einmal zu Papier bringen sollte“, erklärte der Verleger Nenad Popović. Da versuche diese Frau alles, um der Kriegsverbrecher habhaft zu werden, und müsse nun zur Kenntnis nehmen, dass die Politiker, wenn es darauf ankäme, nicht mehr zu ihrem gegebenen Wort stünden. In Kroatien hatte man schon vor wenigen Tagen aufmerksam registriert, dass die EU die Auslieferung von Ratko Mladić nicht mehr zur Vorbedingung für Gespräche Serbiens mit der EU machte.

Für Bosnien macht die Entscheidung der EU für Kroatien deutlich, dass das Land weit gegenüber dem Nachbar zurückgefallen ist. Eine lange EU-Außengrenze zu haben, wird die Lage Bosniens nicht gerade leichter machen, wenn nicht eine großzügige Visaregelung für die Bewohner gefunden wird. Auch in Serbien sind die Reaktionen verhalten, hoffte man doch in Belgrad, die britische EU-Präsidentschaft setze sich mit der Position durch, die ehemaligen jugoslawischen Staaten gemeinsam in die EU zu integrieren.

In Montenegro dagegen erklärte ein Regierungsberater, die Regierung erhoffe sich nun größeren Spielraum für die Unabhängigkeit von Serbien. „Montenegro will als unabhängiger Staat in die EU eintreten.“

ERICH RATHFELDER