Befreites Begehren

Sexuelle Revolution und breitenwirksame Pornofilme: Das B-Movie zeigt Genreklassiker

von Tim Gallwitz

Als Dänemark 1969 Herstellung und Verbreitung von Pornographie legalisiert, zieht es haufenweise Sex-Touristen in die ansässigen Shops. Die sexuelle Befreiung entfesselt Produktion und Konsum, Porno wird gesellschaftsfähig und ein Riesengeschäft. Der Italiener Alberto Ferro geht nach Kopenhagen und produziert fortan unter dem Namen Lasse Braun so genannte Loops, fünf- bis zehnminütige Sequenzen. Eine Hand voll solcher Loops, verknüpft mit einer mehr oder minder konsistenten Rahmenhandlung, ergibt schließlich das abendfüllende Adult Movie.

Entsprechend die Produktion von Deep Throat, dem wohl berühmtesten Porno der Filmgeschichte. Regisseur Gerard Damiano schießt in Florida vier Loops um Klitoriskehle Linda Lovelace und Sex-Doktor Harry Reems, die er später mit in New York gedrehten Szenen verknüpft. 22.000 Mafia-Dollar für einen Welterfolg, der bei Orgasmen Feuerwerke zünden, Glocken läuten – und Kassen klingeln lässt: Gemessen an Kosten und Einspielergebnis ist Deep Throat angeblich der erfolgreichste Film aller Zeiten. Der Porno ist nicht mehr bloßer Rammelquickie, sondern hat sich schick gemacht und erreicht in regulären Kinos ein Massenpublikum.

Die 70er Jahre, eine viel beschworene Zeit von Sex, Drugs und Rock‘n‘Roll. Jack Hill, Regisseur von Blaxploitationstreifen mit Pam Grier, beginnt mit dem Dreh zu Higher and Higher, der später unter dem Titel Ich – ein Groupie herauskommt. Hill, angeblich selbst immer higher und higher und nach fünf Tagen noch nicht über eine Szene hinausgekommen, wird gefeuert. Der Schweizer Produzent Erwin C. Dietrich stellt den Film selbst fertig. Das Ergebnis ist eine ziemlich disparate Softcore-Exploitation, in dem sich die junge Ingrid Steeger in einen Rocksänger verliebt, mit Hasch anfängt und Heroin aufhört, meistens nackig ist und in Betten hüpft, um zum Schluss im Drogenwahn – auch nackig – über den Ku‘damm und vor ein Auto zu rennen.

Neben aller Exploitation-üblichen Bigotterie und dem heute so retro-schicken Setdesign verrät dieses Vehikel so einiges über seine Zeit: Über den Clash der Generationen, den die Jungen via Drogen, Sex und Musik abfrühstücken. Und über das Verhältnis der Geschlechter, in dem die Typen den Ton angeben, die Girls sie anhimmeln und sich ansonsten bitte nicht so anstellen sollen.

Die sexuelle Befreiung befreite nämlich vor allem das männliche Begehren, das sich den von der Reproduktion entkoppelten weiblichen Körper allzeit verfügbar zu machen sucht. Die Geste, sich für die weibliche Sexualität zu interessieren, bleibt da in der Regel vorgeschoben und folgenlos. So zeigt in Lasse Brauns durchaus fantasievollem, mitunter drastischem Hardcore-Streifen Sex Maniacs die Rahmenhandlung ein Kaffeekränzchen, bei dem die versammelten Frauen ihre jüngsten Abenteuer zum Besten geben.

Die vorgeblich selbstbewusste Inszenierung der Frauen konterkarieren dann aber die Episoden, in denen Sex etwas ist, bei dem Frauen vor allem Objekt männlicher Eroberung sind. Immerhin der letzte Loop schert aus diesem Schema aus: Sie will sich mit zwei Freundinnen treffen, ihr Freund drängt sich auf, kommt mit und sieht sich im Nu auf den Balkon gesperrt, von wo aus er dem Treiben der drei Frauen durchs Fensterglas passiv zusehen muss – oder darf.

Schade, dass Thorsten Schüttes Doku Ich, der King of Porn über Lasse Braun nicht im B-Movie zu sehen sein wird. Aber immerhin widmet sich im benachbarten Studio-Kino Inside Deep Throat von Fenton Bailey und Randy Barbato Porno Chic und Zensur in den USA. Ob es die Generationen Golf und Praktikum ins B-Movie schaffen, bleibt abzuwarten. Lassen sich diejenigen, die Pornos als Video oder DVD in trauter Privatheit zu Hause kennen lernten und konsumieren, in solch ein öffentliches Setting locken?

Deep Throat: 6.–9. 10., Sex Maniacs: 20.–23. 10., Ich – ein Groupie: 27.–30. 10., alle B-Movie; Inside Deep Throat: 27.–29. 10., Studio-Kino (am 29. evtl. zusammen mit Deep Throat)