Fehldiagnose: Pandemien müssen wiederholt werden
: Der große Pocken-Schwindel

HAMILTON/BERLINdpa/taz| Ohne Pocken bleibt den Freunden von Traditionserkrankungen künftig nur noch die Wahl zwischen Pest und Cholera. Ein Forscherteam um den amerikanischen Evolutionsbiologen Hendrik Poinar hat nämlich nachgewiesen, dass die auch als „Blattern“ bekannte Infektionskrankheit eine vergleichsweise junge Geißel der Menschheit ist. Ein genetischer Abgleich von ­Virusresten aus einer litauischen Kindermumie aus dem 17. Jahrhundert und moderner Pocken-DNA ergab, dass die Stränge nur bis zu einem gemeinsamen Vorgänger zurückzuverfolgen sind, der zwischen 1588 und 1645 entstanden sein muss. Bislang den Pocken zugeschriebene Pandemien wie die Antoninische Pest, die seit 165 nach Christus im Römischen Reich wütete, müssen deswegen wiederholt werden. ­Aufatmen können hingegen die nordamerikanischen India­ner, ihre Pockenepidemie von 1775 behält Gültigkeit.