Berliner Szenen
: Nachbarschaftsnetz

Rüden und Elektriker

Auf der Dachterrasse ist sturmbedingt eine Matratze gelandet

Ich kenne die meisten Mieter in dem Haus, in dem ich wohne. Seit ich mich kürzlich auf einer Nachbarschafts-Internetseite registriert habe, habe ich „573 direkte Nachbarn“ und bekomme regelmäßig Nachrichten von ihnen.

Claudia sucht für ihre französische Bulldogge „Hundekumpelinen“: „Da alle Rüden momentan sehr angetan sind, bitte nur Mädels!“ Martina, die Bildung und Erziehung im Kindesalter studiert, teilt ihren „lieben Nachbarn“ mit, dass sie sich sehr „über eine regelmäßige Unterstützung freuen würde, leider habe ich bisher niemanden gefunden“. Hans-Michael fragt nach alten Bildern von der Knorrpromenade. „Wo sich heute das Sanitärunternehmen Frank König gefindet, war früher ein Kuhstall. Habe dort selber noch Milch in der Nachkriegszeit geholt. Leider sind unsere Bilder im Krieg zerstört worden.“ Lustig ist die Nachricht von Matthias: „Ein besonderes Weihnachtsgeschenk überraschte mich heute: Auf unserer Dachterrasse ist wohl sturmbedingt eine Matratze gelandet. Wir können sie leider nicht ewig aufbewahren. Ach ja, eine Fackel ist auch bei uns gelandet.“

Durch die virtuelle Nachbarschaft erfuhr ich von einem Repair-Café um die Ecke, in das ich einen defekten Stabmixer brachte. So lernte ich an einem Samstagnachmittag in einem Café in der Rigaer Straße Torsten kennen, Elektriker in Frührente. „Meine Freundin sagt, ich muss mal raus aus der Wohnung.“ Was er auch anstellte mit dem Mixer, er ließ sich nicht öffnen. Dafür verletzte sich Torsten an einem Finger, dass der weiße Mixer rote Punkte bekam. Nach einer halben Stunde sagte ich, dass er mit dem Ding machen könne, was er wolle. Er nahm ihn mit nach Hause und schickte einige Tage später eine Mail. „Bei der Demontage mittels Gewalt war leider keine eindeutige Fehlersuche möglich.“

Barbara Bollwahn