Ein Geständnis, das keins gewesen sein soll

Doping Die „New York Times“ zitiert Russlands Antidoping-Chefin, es habe eine „institutionelle Verschwörung“ gegeben. Nun rudert Moskau zurück: Das Zitat sei aus dem Zusammenhang gerissen

BERLIN taz/dpa | Hat sie’s nun zugegeben, oder hat sie nicht? Die New York Times zitiert die Chefin der russischen Antidopingagentur Rusada, Anna Anzeliowitsch, es habe eine „ins­ti­tutionelle Verschwörung“ ge­geben. Doch am Mittwoch dementierte die Rusada. Die Zeitung habe Anzeliowitschs Aussagen verfälscht und aus dem Zusammenhang gerissen.

Nicht nur die Rusada, auch die russische Regierung bezweifelte die Glaubwürdigkeit des Berichts. Als Quelle könne man die US-Zeitung nicht akzeptieren, sagte ein Kreml-Sprecher. Man müsse erst prüfen, ob Anzeliowitsch dies wirklich gesagt habe.

Von der Sache geht es um den Vorwurf, in Russland werde nicht nur flächendeckend gedopt, sondern es liege sogar Staatsdoping vor. Dies wirft der Chefermittler der Weltantidopingagentur, Wada, Richard McLaren, in einem umfangreichen Bericht vor. Auch McLaren verwendet den Begriff der „institutionellen Verschwörung“, dies es über mehrere Jahre gegeben habe – in großem Umfang bei den Olympischen Winterspielen 2014 im russischen Sotschi.

Laut New York Times hat Ru­sa­da-Chefin Anna Anzeliowitsch nun gesagt, sie sei von den Enthüllungen schockiert gewesen. Zugleich soll sie erklärt haben, eine Regierungsbeteiligung, namentlich von Staatspräsident Wladimir Putin, läge nicht vor.

Die Zeitung beruft sich nicht nur auf Anzeliowitsch, sondern hat mit mehreren russischen Sportoffiziellen gesprochen. Witali Smirnow, der von Putin jüngst zum Vorsitzenden einer neuen Antidopingkommission berufen wurde, wird so zitiert: „Aus meiner Sicht als früherer Sportminister und Präsident des Olympischen Komitees haben wir eine Menge Fehler gemacht.“ Man müsse die Gründe dafür finden, warum junge Sportler Dopingmittel nähmen und sich für diesen Weg entscheiden würden. Eine Erklärung dafür bot Smirnow an: „Russland hatte nie die Möglichkeiten, die anderen Ländern gegeben waren.“ Das Gefühl, chancenlos bei Wettkämpfen anzutreten, sei verbreitet.

Victor Berezov, der als Anwalt das russische Nationale Olympische Komitee vertritt, wird von der New York Times zitiert, auch „in China, in London und überall können solche Dinge passieren“. Es sein bloß ein glücklicher Zufall, dass die Wada einen russischen Kronzeugen – den mittlerweile in den USA lebenden früheren Leiter des Moskauer Antidopinglabors von Sotschi, Grigori Rodschenkow – aufgetrieben habe. Davon, dass McLaren in seinem Wada-Bericht auch E-Mails zwischen Rodschenkow und Sportminister Witali Mutko zitiert, die auf eine Mitwisser-, eventuell gar Drahtzieherschaft der Politik hinweisen, sagte Berezov nichts.

„In Russland hat es nie ein staatliches Dopingsystem oder Dopingunterstützung gegeben“, hatte Wladimir Putin jüngst gesagt, „das ist einfach unmöglich.“

Nach Veröffentlichung des zweiten McLaren-Reports im Dezember hatte das Internationale Olympische Komitee kurz vor Weihnachten ein Disziplinarverfahren gegen 28 russische Teilnehmer der Spiele in Sotschi wegen Dopingverdachts eingeleitet. Etliche russische Sportler wurden von ihren Fachverbänden gesperrt, der Bob- und Skeletonverband entzog Sotschi die für diesen Winter dort geplante WM.