Erinnern an „Arisierungs“-Geschäfte: Fürs Mahnmal wird es knapp

Die taz-Initiative für ein „Arisierungs“-Mahnmal kommt voran: Die Bremer Kulturdeputation leitete weitere Schritte ein. Nun muss der Ortsbeirat entscheiden

Der Entwurf „Leerstellen und Geschichtslücken“ gewann den Ideenwettbewerb der taz Foto: Angie Oettingshausen

Das Bremer „Arisierungs“-Mahnmal hat eine weitere wichtige Hürde genommen: Gestern war es zentrales Thema in der Bremer Kulturdeputation, die sich mit großer Mehrheit auf weitere Verfahrensschritte verständigte. Das von der taz initiierte Mahnmal-Projekt hat zum Ziel, Bremens besondere Rolle bei der Logistik der restlosen „Verwertung“ jüdischen Eigentums bewusst zu machen.

„Wir sind absolut dafür, dass das Mahnmal so nah wie möglich bei Kühne+Nagel gebaut wird“, betonte Miriam Strunge von der Linkspartei. Zwar waren auch weitere Bremer Speditionen Teil der „Verwertungskette“, durch die komplette Wohnungsinhalte jüdischer Familien „arisiert“ wurden – zum Beispiel auf „Juden-Auktionen“.

Doch Kühne+Nagel, der weltweit drittgrößte Logistikkonzern, machte Gewinne in gänzlich anderen Dimensionen: Er sicherte sich eine monopolartige Stellung beim Westeuropageschäft und brachte unter anderem den Besitz der aus Frankreich, Belgien und den Niederlanden deportieren jüdischen Bevölkerung ins „Reich“. Anlässlich seines Gründungsjubiläums hatte das Unternehmen dennoch erklärt, seiner Geschäftstätigkeit in der NS-Zeit habe es „an Relevanz“ gemangelt.

Die Grünen-Abgeordnete Kirsten Kappert-Gonther wies eindrücklich darauf hin, dass für die Realisierung eines Mahnmals vor Kühne+Nagel nur noch „ein kleines Zeitfenster“ offen sei: „Das müssen wir nutzen.“ Denn der Konzern hat bereits mit den Vorbereitungen für den stark vergrößerten Neubau seines Bremer Stammsitzes begonnen.

„Leerstellen und Geschichtslücken“ nennt die Architektin Angie Oettingshausen ihren Entwurf, der für die Mahnmal-Realisierung vorgeschlagen wird. Er basiert auf der abgestuften Geländesituation an der Weser.

Zwei Sichtschächte bohren sich in den Boden und treffen im rechten Winkel aufeinander. Von oben ist nichts zu sehen, doch von der Seite, aus der Perspektive der Spaziergänger an der Weserpromenade, sind Konturen an der Rückwand eines leeren Raums zu erkennen: ehemalige Standorte von herausgeräumten Möbeln und Bildern.

Ein subtiler Entwurf und das Gegenteil eines ausgestreckten Zeigefingers – der bei näherer Betrachtung jedoch eindringlich an die totale „Verwertung“ jüdischen Eigentums erinnert.

Mehr Informationen zum Mahnmal und der taz-Initiative für ein „Arisierungs“-Mahnmal auf www.taz.de/denkmal

Der aus einem Ideenwettbewerb der taz hervorgegangene Mahnmal-Entwurf sieht vor, dass sich zwei Sichtschächte seitlich und von oben in die vor dem Neubau liegende Geländekante samt Hochwasser-Spundwand schneiden (siehe Kasten). Kappert-Gonther warnte: „Wenn die Spundwand an der Weser erst mal steht, kann man den Entwurf nicht mehr realisieren.“

Eine „zügige Klärung der Finanzierung“ sicherte Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz (SPD) zu. Erste Schätzungen gehen von rund 120.000 Euro aus, geplant ist eine „Drei-Drittel-Kampagne“: Entsprechend der historischen Profit-Trias von Fiskus, Firmen und Privatleuten, die jeweils von den „Verwertungsaktionen“ profitierten, könnten jeweils 40.000 Euro gesammelt werden. In einem Crowdfunding hatte die taz bereits 27.000 Euro gesammelt, von denen 8.000 Euro der jüdischen Gemeinde überwiesen wurden.

Nun liegt der Ball beim Ortsbeirat und beim Landesbeirat für Kunst im öffentlichen Raum. Der von der taz initiierte Wettbewerb genüge mit überregionaler Ausschreibung und Fachjury vollständig den Verfahrensvorschriften, lobte die zuständige Referatsleiterin des Kulturressorts das „saubere Verfahren“. Für die Standortfrage ist nun jedoch zunächst das Votum des Ortsbeirats maßgeblich.

Die FDP qualifizierte den vorliegenden Entwurf am Standort Kühne+Nagel als „zu provokant“, eine Entscheidung darüber überfordere den Ortsbeirat.

Claas Rohmeyer von der CDU hingegen machte sich in einem energischen Statement dafür stark, die Debatte nun nicht wieder „von vorn“ zu beginnen. Er verwies auf zahlreiche Gelegenheiten zur Meinungsbildung wie eine Ausstellung zu den Mahnmal-Entwürfen und ein Fachsymposium in der Bürgerschaft sowie den Beschluss des Parlaments im November darüber, dass bei der Mahnmal-Verortung „insbesondere auch ein Standort im Umfeld des Neubaus der Firma Kühne+Nagel einzubeziehen“ sei. Insofern könne keine Rede davon sein, dass der Ortsbeirat mit einer politisch heiklen Entscheidung allein gelassen werde.

Auch der SPD-Abgeordnete Arno Gottschalk resümierte: „Es ist gut, dass die Kulturdeputation bekräftigt hat: Wir wollen dieses Mahnmal.“

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