Präsente in Lädchen mit kleiner Auswahl Kaufen? Routinierte Geschenkeshopper suchen lieber im Internet – und vergeuden damit ihre zeit
: Kein gutes Weihnachtsgeschäft für die Kleinen

Foto: Lou Probsthayn

Fremd und befremdlich

KATRIN SEDDIG

Es ist die Zeit des großen Einkaufens. Alle, die ich kenne, klagen darüber, aber niemand entzieht sich dem. Wenn wir nicht kaufen, dann können wir auch nicht schenken, und schenken müssen wir an Weihnachten. Geschenke sind der Hauptbestandteil von Weihnachten, und wir wollen noch lieber schenken, als geschenkt bekommen, denn geschenkt bekommt man oft ja doch Mist.

Jedenfalls beschert diese Tradition dem Handel auch in diesem Jahr wieder einen großartigen Umsatz, in Niedersachsen rechnet der Handelsverband sogar mit einer Steigerung gegenüber dem Vorjahr um 3,9 Prozent. Nur in den kleineren Städten und auf dem Lande haben die Händler das Nachsehen. Anscheinend fährt die Landbevölkerung am Wochenende weg von ihren Geschäften, in die Großstadt, und kauft da die Geschenke ein.

Ich erinnere mich, dass auch meine Mutter um die Weihnachtszeit wenigstens einmal nach Berlin fuhr, um da „schön Geschenke einzukaufen“. Sie hätte auch in der nahe gelegenen Kleinstadt zuschlagen können, aber zur Weihnachtszeit musste es schon die Großstadt sein, und so denken anscheinend auch jetzt noch die meisten Leute, weswegen die Geschäftsleute in den kleineren Orten kein so gutes Weihnachtsgeschäft machen, wie die in der Großstadt.

Die Sache ist auch die, dass die kleineren Geschäfte viele Dinge gar nicht führen. Sie haben aufgrund ihrer Kleinheit einfach ein kleineres Sortiment als zum Beispiel Zalando oder Amazon und deshalb bestellen sich die Leute in den kleineren Orten die Sachen einfach da. Die Auswahl wäre nun mal nicht so in den kleineren Geschäften, beklagen sie sich. Und die Auswahl ist nun mal tatsächlich nicht so, wie auch? Da bräuchte dann so ein kleines Geschäft ja fußballfeldgroße Hallen voller Regalreihen.

Früher war das so: Wenn meine Mutter einen neuen Topf brauchte, ging sie in den Laden, wählte unter siebzehn Töpfen aus und kaufte den, der passte, hinsichtlich Preis und Größe. Heute recherchiert der mündige Käufer den Topf mit den besten Kocheigenschaften, er liest alle Testberichte dazu, treibt sich in Kochforen rum und diskutiert die Vor- und Nachteile. Er findet den Händler, der ihn am günstigsten anbietet und dann erst bestellt er sich den Topf. Wenn er ihn dann hat, sieht er in ein paar Tagen noch einmal nach, ob der Preis womöglich gefallen ist, wenn ja, verdirbt ihm das die Laune. So geht modernes Einkaufen.

Wenn dann derselbe Mensch in einen Topfladen in seiner Kleinstadt geht, die siebzehn Töpfe im Regal stehen sieht, deren Materialeigenschaften er alle schon auswendig weiß, dann nickt er glücklich in sich hinein, denn er hat sich mit dieser beschränkten Auswahl nicht zufrieden gegeben, er hat für sich das Beste aus der weltweiten Topfauswahl herausgeholt.

Ich mache mich darüber lustig, aber ich bin selbst manchmal so eine. Das sage ich mal, der Ehrlichkeit halber. Denn ich frage mich, was diese versierte Mündigkeit des Konsumenten eigentlich wert ist. Meine Mutter hat ihren Topf nach Hause getragen und gleich benutzt. In der Zeit, in der der pfiffige Internetkäufer in der Welt der Töpfe recherchiert, hat sie sieben Socken gestopft, ein Kartoffelbeet bestellt, den Hund ausgeführt, die Kinder zurechtgewiesen und die Wäsche aufgehängt. Sie hat ein Mittagessen in ihrem Topf gekocht und ein längeres Gespräch mit der Nachbarin gehabt. Zwanzig Jahre später kocht meine Mutter noch im selben Topf.

Der versierte Konsument hat inzwischen elf neue und jeweils bessere Töpfe gekauft, er ist öfter damit unzufrieden und manchmal auch zufrieden gewesen. Er hat fast nie zu viel bezahlt, außer mit Zeit. Und mit idiotischem Wissen, das sich in seinem Hirn angesammelt hat. Mal abgesehen davon, dass er die hübschen, kleinen Innenstädte abgeschafft hat.

Katrin Seddig ist Schriftstellerin in Hamburg mit einem besonderen Interesse am Fremden im Eigenen. Ihr jüngster Roman „Eine Nacht und alles“ ist bei Rowohlt Berlin erschienen.