Der Kontrolleur

Wie machen Sie das?

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Malik Kinar, 29, ist seit zehn Jahren Fahrkartenkontrolleur in Berlin. Einer, dem niemand begegnen möchte, über Empathie im Arbeitsalltag.

taz.am wochenende: Herr Kinar, Sie arbeiten jeden Tag in einem Job, für den Sie die Leute hassen. Wie machen Sie das?

Malik Kinar: Manchmal schalte ich einfach ab. Wenn es zur Diskussion kommt, ist es wichtig, erst einmal auf die menschliche Ebene zu kommen. Zu Gleichaltrigen sage ich dann so was wie: „Ey Dicker, dann kauf dir doch nächstes Mal’n Ticket“. Das hilft manchmal. Wir werden aber auch geschult, wie wir mit schwierigen Leuten umgehen.

Worauf kommt es dabei an?

Sachlich und cool zu bleiben. Ich höre jeden Tag „Ich hasse dich“, obwohl ich nur meinen Job mache. Das ist nicht immer einfach. Die meisten reagieren aggressiv, wenn sie erwischt werden. Schwierig ist es auch, wenn man die Person dann später privat trifft. Man ist dann eben „der Fahrkartenkontrolleur“. Ständig gibt es Anschläge auf Fahrkartenkontrolleure. Vor ein paar Wochen wurde an der Beusselstraße ein Kontrolleur mit dem Messer bedroht. Da hat man schon Respekt.

Und wer sind die schwierigsten Schwarzfahrer?

Nach den aggressiven: Studenten. Die sind am kompliziertesten, vor allem wenn sie gefühlt schon alle Rechtsanwälte sind. Die wissen alles besser und reden einen kaputt. Dann geht es plötzlich um „Erschleichen von Leistung“, Rechte, Einspruch. Dabei hätten Sie eigentlich die Kohle für ein Ticket.

Haben Sie auch Mitleid?

Natürlich, vor allem mit Obdachlosen. Die haben sowieso kein Geld und kein Wohnort, wo wir das Ticket hinschicken können. Eigentlich müssten wir sie der Polizei übergeben. Meistens lasse ich sie rennen. Bei Flüchtlingen ist das ähnlich. Obwohl ich mich frage, warum sie kein Ticket kaufen, wenn sie doch eh Geld vom Staat bekommen.

Wie entscheiden Sie, ob eine Person davonkommt?

Man sieht, ob eine Person wirklich in Not ist – und ich schau mir eine Person immer genau an.

Interview Ann Esswein