Neue Mauer im Osten

Die Lobbyinitiative Neue Freie Marktwirtschaft meint: Ökonomiemauer trennt Sachsen vom Norden des Ostens

BERLIN taz ■ Passend zu 15 Jahren Deutsche Einheit wartete die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ gestern mit einer neuen Studie auf. Ein Vergleich der 16 Bundesländer zeige: Im Osten bewegt sich was.

Den ersten Platz im Dynamik-Ranking der Lobbyisten für den freien Markt belegt Sachsen. Es habe sich in den Bereichen Wohlstand und Arbeitsmarkt besser entwickelt als Bayern und Baden-Württemberg. Das Dynamik-Ranking honoriert nur Veränderungen in den letzten zwei Jahren. So sollen auch strukturschwache Länder eine Chance auf gute Plätze haben.

Die Marktapologeten entdecken sogar eine „ökonomische Mauer“, die nun nicht mehr zwischen alten und neuen Bundesländern, sondern auch mitten durch den Osten verlaufe. „Wir haben in Ostdeutschland eine Entwicklung, die wir schon aus dem Westen kennen: ein Nord-Süd-Gefälle“, erklärte Klaus Methfessel, stellvertretender Chefredakteur der Wirtschaftswoche und Mitherausgeber der Studie. Während Sachsen und Thüringen besonders dynamisch seien, fielen Brandenburg, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern weiter zurück.

Ein Blick auf die Indikatoren des Rankings trübt allerdings die Aussagekraft der rosigen Sachsendaten etwas. Als Pluspunkt wertet die Studie zum Beispiel, dass die Arbeitslosenquote dort nicht wie in den anderen Bundesländern weiter gestiegen ist, sondern „auf sehr hohem Niveau“ stabilisiert wurde.

Auch die Gewichtung einzelner Indikatoren lässt Zweifel aufkommen. Die Zahl der Ausbildungsplätze wird nur mit 0,3 Prozent im Gesamtindex berücksichtigt. Genauso viel Gewicht bekommen die Pisa-Ergebnisse und die Bildungsausgaben pro Einwohner. Insgesamt macht der Bereich Bildung ganze 2,7 Prozent am Gesamtindex aus – die Arbeitslosenquote schlägt hingegen mit dem Faktor 12,5 zu Buche. Dafür findet die Zahl der Volkshochschulkurse pro Einwohner in einen anderen Bereich Eingang. VHS-Kurse und Theater geben für die Ini Marktwirtschaft Auskunft darüber, wie dynamisch ein Land seinen Freizeitwert entwickelt.

Mit dem Sieg im Dynamik-Ranking gebührt Sachsens Georg Milbradt (CDU) der Titel „Ministerpräsident des Jahres“. Eine gewisse Dynamik ist den Sachsen auch in Bezug auf ihren ungeliebten Landesvater zu Eigen. Milbradt, ein anerkannter Langweiler, muss sich diverser Versuche aus seiner Partei erwehren, ihn loszuwerden. Ob’s dafür auch einen Preis gibt? JAN PFAFF