Berlinmusik
: Wirklichkeit und Wahrheit

Schon der Albumtitel klingt wie ein kleiner, pointierter Kommentar zur aktuellen gesellschaftlichen Situation. „Identitetris“ heißt das Werk, das das Berliner Duo Pavlidis vor Kurzem veröffentlicht hat und das sie nun auch live vorstellen werden.

Die beiden Musiker sind in Berlin keine Unbekannten: Benjamin Pavlidis, der der Band den Namen gibt, ist Sänger und Gitarrist der Ohrbooten; sein Mitstreiter Johannes Gwisdek alias Shaban kennt man von dessen gemeinsamen Projekt mit Bruder Robert – Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi. Dass sich Ben und Shaban vor drei Jahren beim Fusion über den Weg liefen und dort Pavlidis ins Leben gerufen wurde, passt gut ins Bild.

Denn musikalisch ist das durchaus eine Fusion – eine aus HipHop auf der einen Seite und Turkish Pop und Rhythmen aus der arabischen Musik auf der anderen Seite. Entsprechend tanzbar ist das, entsprechend holprig und vertrackt klingt das, entsprechend euphorisierend dürfte das live rüberkommen. Dass Pavlidis teilweise eine türkische Laute (Cümbüş) einsetzen, sorgt für einen gewissen Flow.

Bemerkenswert sind aber vor allem die klugen Texte, in denen sich Pavlidis etwa mit unserem Leben voller Widersprüche auseinandersetzen („Teilchen“), mit First-World-Problems, ohne eine Moralnummer daraus zu machen („Die wahren Probleme“) oder mit der Produktion von Wirklichkeit und Wahrheit („Es sind“).

Kernstück des 11-Song-Albums ist der Titeltrack „Identitetris“, der sich intelligent mit der Identitätspolitik der Gegenwart beschäftigt. Hybride Identitäten sind bei Pavlidis eher willkommene Herausforderung, als dass sie eine Sehnsucht nach gestern evozieren: „Die Summe meiner Eigenschaften ist ein komplizierter Bruch / in dessen Lücken Kleinkariertes rutscht / bis sich alles neutralisiert zum Schluss / da löst sich das Gebäude auf / ich freu mich drauf, denn dann wird neu gebaut.“ Mit seinem Gameboy-Geplucker macht der Song darüber hinaus auch noch Spaß.

„Identitetris“ ist ein inhaltlich starkes Pop-Album, das weder vereinfacht noch unnötig verkompliziert. Das sich vor schweren Themen nicht scheut und doch leicht daherkommt. Einziges Manko ist, dass es musikalisch im Ganzen durchaus noch etwas abwechslungsreicher ginge. In lauwarmen Kreuzberger Partynächten wird sich Pavlidis’Sound dennoch gut machen. Jens Uthoff

Pavlidis: „Identitetris“ (Kreismusik/Soulfood),

Live: 2. 12., 20 Uhr, Monarch