Richter kündigen Boykott an

ÄGYPTEN Ein Berufsverband lehnt Überwachung des Referendums über die umstrittene Verfassung ab. Unterschiedliche Signale

Oppositionsgruppen mobilisieren zu einem Marsch zum Präsidentenpalast

BERLIN/KAIRO taz/afp/dapd | Der Konflikt zwischen dem ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi und der Justiz des Landes geht in die nächste Runde. Nachdem am Sonntag das Oberste Verfassungsgericht seine Arbeit ausgesetzt hatte, kündigte der einflussreiche Richter-Klub am Abend an, er werde den Ablauf des für den 15. Dezember angesetzten Verfassungsreferendums nicht überwachen. Der Beschluss wurde während einer Vorstandssitzung in Kairo gefällt. Der Aufruf ist für die Mitglieder nicht bindend. In Ägypten werden Wahlen von Richtern überwacht.

Der Richter-Klub wird von Personen kontrolliert, die für ihre Verbindungen zum System des gestürzten Präsidenten Husni Mubarak bekannt sind. Dazu gehört auch der Vorsitzende Ahmad al-Sind. Dieser ist bekannt für seine Gegnerschaft der Muslimbrüder seit deren Sieg bei den Parlamentswahlen. Der Richter-Klub hatte vergangene Woche bereits zu einem unbegrenzten Streik aller Gerichte aufgerufen. Die Arbeitsniederlegung wurde jedoch nicht landesweit befolgt. Der Justizapparat ist nämlich kein monolithischer Block. Auch dem Richter-Klub gehören zahlreiche Vertreter des Standes an, die sich als neutral verstehen und keiner politischen Partei oder Strömung nahestehen. Daneben gibt es die Gruppe „Richter für Ägypten“, der eine Nähe zu den Muslimbrüdern nachgesagt wird, sowie eine unabhängige Strömung, die bereits unter Mubarak aktiv war.

Ob in dem Streit über die Wahlbeobachtung schon das letzte Wort gesprochen ist, war zunächst offen. In Kairo hieß es, der Justizminister werde mit Vertretern des Richter-Klubs Gespräche aufnehmen.

Die ägyptische Wahlkommission begann am Montag mit den Vorbereitungen für das Verfassungsreferendum. Der Präsidentenberater Mohammed Gaballah erklärte am Montag, die Kommission habe ihre Arbeit am Vortag aufgenommen. Gaballah fügte hinzu, die Richter wollten die Abstimmung trotz des Streiks der Justiz, einzelner Richter oder Gruppierungen überwachen. Auch Vizepräsident Mahmoud Mekki zeigte sich zuversichtlich, dass die Richter ihrer Aufgabe nachkommen.

Der Streit um die Verfassung ging unterdessen weiter. Mehrere ägyptische Zeitungen warnten am Montag vor einer heraufziehenden Diktatur. Die Blätter al-Watan und al-Masri al-Joum kritisierten mit Zeichnungen von Zeitungen, die in Ketten liegen, den Entwurf für die neue Verfassung als Bedrohung für die Menschenrechte und die Freiheit der Bürger. Die Zeitungen bekräftigten, dass sie aus Protest gegen die aktuelle politische Lage am Dienstag nicht erscheinen werden. Weitere Medien, darunter auch Fernsehsender, kündigten ihre Beteiligung an dem Protest an. Für den gleichen Tag riefen mehrere Oppositionsgruppen zu einem friedlichen Marsch zum Präsidentenpalast auf. B.S.