Die Sonne verschwindet hier für sechs Monate, während die Sonne in meinem Land aus Kunststoff war
: Der Prophet Kiki

Foto: Mike Wolff

Warum so ernst?

Aboud Saeed

Ich interessiere mich für nichts. Ich habe weder einen Anfang noch einen Kopf, dem ich einen Tritt versetzen könnte. Alles Ferne gehört zu mir und ist mit mir verwandt. Ich brauche entweder ein Fernglas oder die Augen von Zarqa’ al-Yamama, um mich mit meinen Freunden zu vergnügen. Ich träumte viel; viel mehr als ich sollte. Meine Träume wuchsen, kletterten hoch und spendeten obendrein Schatten. Sie wurden wie eine Kuh. Manche nannten sie gar eine verrückte Kuh. Ich bin ein wilder Stier; ich habe weder ein Ende noch eine Tür zur Reue, auf die ich zusteuern könnte.

Mein Zustand nagte an meinen Nerven. Ich hatte einen Nerv, den meine Geliebte produzierte und den die Türken durchtrennten. Ich sollte, sagten sie, den Krankenwagen testen; aber diesmal von innen. Die Bevölkerung im Krankenhaus bestand allein aus mir. Jeden Morgen stellte eine schöne junge Frau Rosen neben meinen Kopf. Ich verließ das Krankenhaus, stieg in ein Taxi zum Flughafen und kam nach Berlin. Nun gehe ich auf der Berliner Mauer entlang, halte ich mich aus allem heraus und sage: Gott bewahre mich vor allem.

Ich mogle mich hier durch. Ich trickse die Ärzte aus, lerne die kranken Kollegen kennen, belüge die Deutschlehrerin und strecke die Hand hoch wie ein Lügner in Assads Schulen: „Ich habe Bauchweh und muss heim.“ Die Lehrerin freut sich sehr, wenn ich sie um Erlaubnis bitte. Sie sagt mir, ich sei ein sehr sympathischer Mensch. Ich sage ihr: „Ich schreibe einen Artikel über Deutschland, um meinen Freund, den Dichter, der über die Flüsse und die blonden Frauen in Deutschland schrieb, zu ärgern.“ Es war einmal eine blonde Frau, schrieb er. Sie lebte in Manbidsch und alle jungen Männer träumten von ihr. Er träumte vom deutschen Volk und seiner ruhmreichen Zivilisation und seinen guten Absichten. Meine Absichten sind allesamt schlecht. Die Sonne verschwindet hier für sechs Monate, während die Sonne in meinem Land, die uns Adnan Hamdan vierzig Jahre lang im Wetterbericht zeigte, aus Kunststoff und mit Magnet befestigt war, so dass Adnan sie gen Osten bewegen konnte, wie es ihm gerade passte. Eines Tages richtete er sie sogar dorthin, wo meine Freundin lebte. Damit verursachte er Verbrennungen auf ihrer Haut.

Sie, meine Freundin, sagte, es sei Bräune. Ich sagte: „Du bist Jennifer Lopez und ich bin der Prophet Kiki.“ Ich bin ein Prophet, mich hat keiner gesandt und ich habe keinen Stab, den ich in eine Schlange verwandle. Ich bin ein Prophet, jedes Mal, wenn meine Hand das Gesicht eines Menschen berührt, verdorrt es und erkrankt unheilbar. Ich stehe in der langen Schlage vor dem Amt, um die monatliche Unterstützung zu bekommen. Ich bin ein Prophet, der sein Geld für Haschisch, Bier und Zucker ausgibt. Der Süßigkeiten und Zucker liebt, immerzu auf die Festtage wartet. Die Menschen feiern meinen Geburtstag nicht wie den aller Propheten. Ich bin ein Prophet, der gern Tee trinkt, hustet, rülpst. Ich bin ein Prophet, der sich dreht und dreht und dreht und sich für nichts interessiert.

Übersetzung:

Mustafa Al-Slaiman

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