: Kaiser für Deutschland
Wahl-Schlager
Er ist für die Sozialdemokratie eines der wichtigsten Parteimitglieder aus dem Bereich der populären Künste, er ist in gewisser Weise für diese Partei aussagestärker im politischen Kampf als etwa Udo Lindenberg, Jan Delay oder Anna Loos: Roland Kaiser entertaint seit fast vier Jahrzehnten Schlager, und das so erfolgreich, dass ihn Menschen in Kleingärten, bei Grillfesten oder in Vorstadtdiskos, auf Rentnersingnachmittagen oder Monsterkonzerten an der Elbe – auch wirklich hören wollen.
Kaiser, 64 Jahre, ist als bekennender Sozi vom mecklenburg-vorpommerschen Flügel seiner Partei für die Bundesversammlung nominiert worden, die wiederum den nächsten Bundespräsidenten wählt, also Frank-Walter Steinmeier. Kaiser hat verdientermaßen antifaschistischen Ruhm geerntet, als er im Winter vorigen Jahres auf einer Steh-Demo gegen Pegida und andere Hassmenschentruppen sagte, er verurteile diese und wünsche sich Frieden und Solidarität mit Flüchtlingen.
Das hat ihn viele Kunden gekostet, die schworen, seine Konzerte nicht mehr zu besuchen – aber das stört ja Kaiser nicht, denn erstens ist er ein ethisch denkender Mensch, und zweitens hat er so viele Fans ohne geistige Dumpfbackenallüren, dass er sich den Missmut einiger leisten kann und will. Im Übrigen ist Kaiser – größte Hits: „Sieben Fässer Wein“, „Santa Maria“ oder „Dich zu lieben“ und „Schach-Matt“ – ein Schlagersänger, der keine Scheu hat, mit Künstlern anderer Genres aufzutreten. Ein Sozialliberaler in diesem Sinne – was ihn vom Gros der Coolen abhebt.
In Wahrheit ist nur mit einem wie dem gebürtigen Berliner überhaupt noch kultureller Kontakt zu nichtgrünen oder nichtalternativen Kreisen zu haben: Er weiß, was Anstand und Benimm ist – und dass er sich für Flüchtlinge, gegen die Mentalität vieler seiner Fans, einsetzt, ist wichtiger als die Stimme für Steinmeier. Aber, okay, die soll es auch sein! jaf
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen