Rechte dürfen mitspielen

Nach der Wahl In Mecklenburg-Vorpommern wollen die etablierten Parteien die AfD nicht wie die NPD behandeln. Die neue Fraktion übernimmt den Vorsitz wichtiger Ausschüsse und positioniert sich weit rechts

20,8

Prozent der Stimmen bekam die AfD im September dieses Jahres bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern. Die Rechtspopulisten landeten damit noch vor der CDU (19 Prozent) und wurden zweitstärkste Kraft hinter der SPD (30,6 Prozent)

Quelle:abc

Die neu gewählten Rechten sitzen da, wo auch schon die Rechten saßen, die nun aus dem Landtag von Mecklenburg-Vorpommern geflogen sind. Rechts vom Landtagspräsidium hat die AfD-Fraktion um Leif-Erik Holm ihre Sitze bezogen. Bisher saß dort die NPD – und wurde, wenn möglich, ignoriert. Doch mit der Alternative für Deutschland ist im Schweriner Schloss jetzt alles anders: „Sie bildet die zweitgrößte Fraktion, da mussten schon aus formal-parlamentarischen Bedingungen andere Auseinandersetzungsformen gesucht werden“, sagt Peter Ritter, der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion.

Die WählerInnen gaben der AfD bei der Wahl am 4. September dieses Jahres 20,8 Prozent der Stimmen. Erstmals lag die AfD bei einer Wahl vor der CDU – mit zwei Mandaten. Die NPD hingegen scheiterte mit rund drei Prozent der Stimmen an der Fünf-Prozent-Hürde. Zwei Legislaturperioden lang hatten sich im Parlament SPD, CDU, Linke, und Grüne auf einen gemeinsamen Weg im Umgang mit der rechtsextremen Partei verständigt. Dabei wollten die demokratischen Parteien den gewählten NPD-Abgeordneten zwar all ihre parlamentarischen Rechte gewähren, ihnen aber keine politischen Inszenierungschancen eröffnen.

Im Parlament hielt deshalb bei einem NPD-Antrag immer nur ein Abgeordneter eine Gegenrede, um zu verhindern, dass eine ganze Landtagssitzung durch einen NPD-Antrag bestimmt wurde. Zudem wurde vereinbart, alle Anträge der Rechtsextremen geschlossen abzulehnen. Zudem wollten die Abgeordneten an keiner Info- und Diskussionsveranstaltung außerhalb des Parlaments teilnehmen, wenn auch NPD-Vertreter eingeladen waren, um sichtbar zu signalisieren, dass „die NPD ‚keine‘ normale Partei“ sei.

Die AfD aber ist nicht die NPD. Nach der Wahl erklärte der alte und neue Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD): „Unser Ziel muss sein, sie inhaltlich zu stellen und uns gleichzeitig an alle parlamentarischen Regeln so zu halten, dass man keinen Verschwörungstheorien Vorschub leistet.“ Er wolle der AfD nicht die Möglichkeit bieten „weinerliche Geschichten, man werde benachteiligt“ zu erzählen.

Doch nicht nur, weil Rechtspopulisten keine Rechtsextremen seien, bedinge sich ein neuer Umgang, meint Ritter von der Linken. Er erinnert daran, dass es einen Unterschied mache, mit über fünf Prozent oder mit über 20 Prozent ins Parlament einzuziehen: „Schon rein formal.“

Die erste Sitzung des Landtages am 4. Oktober eröffnete prompt die Rostocker AfD-Abgeodnete Christel Weißig, da ihr dies als älteste Abgeordnete zustand. Sie schrieb zuvor auf Facebook, das es kein Rassismus sei, sein Land vor „Scheinasylanten“, „kriminellen Gangs“ und einem „Überangebot an Moscheen“ retten zu wollen und forderte ein „Pflicht-Essen“ von Schweinefleisch durch Migranten an der Grenze.

Die erste Landtagssitzung eröffnete die AfD-Abgeordnete Christel Weißig. Eine Frau, die einst eine Schweinefleischpflicht für Migranten forderte

Später bedauerte sie die Äußerungen. Bei der konstituierenden Sitzung hielt sie sich zurück, spielte aber darauf an, dass ihre Partei „politikverdrossene Menschen“ zur Wahlurne bewege. Ohne große Diskussion übernahm die AfD den Vorsitz im wichtigen Finanzausschuss. Getreu der Tradition, dass die größte Oppositionsfraktion diesen Vorsitz erhält, bekam ihn Bernhard Wildt. Dem Innen- und Europaausschuss steht AfD-Mann Jörg Kröger vor. Die Teilnahme an der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) steht ihnen ebenso zu. Die PKK, die das neu gewählte Parlament noch nicht besetzt hat, kontrolliert den Verfassungsschutz.

Die ersten Schritte der AfD im Parlament zeigen, wie weit rechts die Partei steht: Die Fraktion schlug ihren Abgeordneten Ralph Weber, der schon mal in Thor-Steinar-Kleidung erschien, als Landtagsvizepräsident vor. Weber erklärte, Deutschland müsse „auch in Zukunft deutsch“ bleiben und dürfe „nicht multikulturalisiert“ werden. Nach der Nichtwahl erklärte Fraktionschef Holm prompt, dass SPD, CDU und Linke eine Mitwirkung der AfD im Landtag „mittels einer Einheitsfront erschweren“ wollten. Und Holm kritisierte die „Schaffung eines Integrationsbeauftragten“: „Wenn schon, dann bräuchten wir einen Abschiebungsbeauftragten.“ Im Schweriner Schloss schlug solche Töne bislang die NPD an. Andreas Speit