Waffen und Munition gefunden

Ungarn Elf Festnahmen bei landesweiten Razzien gegen Zellen der Neonazi-Organisation MNA

Lange unbehelligt: MNA-Mitglieder in Budapest Foto: Martin Fejer/EST&OST

WIEN taz | Bei landesweiten Razzien gegen militante Neonazis hat Ungarns Antiterror-Einheit am Dienstag elf Verdächtige festgenommen. Dabei wurden Waffen und Munition beschlagnahmt. Ziel der Aktion waren laut Polizei Zellen der sogenannten Ungarischen Nationalen Front (MNA) in Budapest und sieben weiteren Gemeinden. Gegen zwei der Festgenommenen wurde Untersuchungshaft beantragt. Die Behörden ermitteln wegen gruppenbezogener Gewalt und illegalen Waffenbesitzes.

Ende Oktober hatte sich die Polizei beim Zugriff auf den 76-jährigen MNA-Führer István Györkös eine fatale Blöße gegeben. Obwohl die Gefährlichkeit des Mannes bekannt war, schickte sie zwei ungeschützte Beamte auf sein Landgut in der Nähe der westungarischen Stadt Győr. Einer von ihnen starb, als aus dem Haus das Feuer eröffnet wurde. Erst als Verstärkung kam, konnte der in den 90er Jahren zu drei Jahren Bewährungsstrafe verurteilte Rechtsextreme überwältigt und festgenommen werden. Auf seinem Hof hatte Györkös wiederholt Wehrsportübungen veranstaltet, zu denen auch deutsche und österreichische Neonazis geladen waren. Ein Bombenanschlag in der Budapester Innenstadt am 24. September dürfte auch auf das Konto von Neonazis gehen.

Die MNA besteht seit den frühen Wendejahren und wurde von den Behörden lange Zeit kaum belästigt. Sie pflegte auch – zumindest indirekt – Beziehungen zur Österreichischen FPÖ. Das inzwischen verbotene rechtsextreme Portal alpen-donau.info hatte immer wieder über Wehrsportübungen der MNA berichtet. Ihr Anführer drohte öffentlich, dass „die neue Welt im Feuer, Schmutz und Blut geboren wird“. Darauf bereite man sich (militärisch) vor.

Partnerorganisationen in Österreich sind schlagende Burschenschafter-Kartellverbände und der Verein Kameradschaft IV (K IV), laut Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands „eine rechtsextreme Veteranenorganisation ehemaliger Angehöriger der Waffen-SS“.

Vor einigen Jahren wurde die „Ungarische Garde“, der paramilitärische Arm der rechtsextremen Jobbik-Partei, aufgelöst. In der rechtsextremen Szene Ungarns tummeln sich aber weiterhin martialisch auftretende Gruppen wie die „Jugendbewegung 64 Burgkomitate“ und „Betyársereg“.

Die Militarisierung der Gesellschaft wird unter Premier Viktor Orbán von höchster Stelle gefördert. Orbán selbst deutete kürzlich in einem Gespräch mit dem katholischen Radio seine Aufrüstungspläne für die seiner Ansicht nach zu schwache Armee an. Und das Verteidigungsministerium will bei der Jugend Patriotismus und Opferbereitschaft im Rahmen eines Wehrkundeunterrichts fördern. Ralf Leonhard