Toben, entdecken, ausprobieren

Ferienabenteuer im Kindermuseum: In Berlin gibt es gleich mehrere Häuser, die mit ausgefeilten Konzepten die Lust der Kinder am Lernen wecken. Überall können die kleinen Leute auf eigene Faust auf Entdeckungsreise gehen: zum Beispiel beim Papierschöpfen und beim Kopieren großer Maler

In Bullerbü ist es gerade menschenleer. Die Murmelbahn aus Baumästen liegt verlassen im Garten. Die meisten Kinder toben auf Efraim Langstrumpfs Hoppetosse, angeln Fische, halten durchs Fernrohr Ausschau nach Piraten oder lassen sich erklären, wie man Seemannsknoten macht. Andere springen mit wildem Geschrei vom Dach von Michels Schuppen. Es ist ziemlich laut im Astrid-Lindgren-Land. Aber Krach machen ist hier erlaubt. Denn im Kindermuseum Labyrinth, in dem sich Schiff und Schuppen befinden, sind Kinder Könige.

Das Königreich liegt im Norden der Stadt, im Wedding, untergebracht in einer ehemaligen Montagehalle für Zündholzmaschinen an der Osloer Straße. Vor acht Jahren öffnete es seine Pforten und zieht seither jährlich mehr als 100.000 Gäste an. Zurzeit fordert das Kindermuseum „Labyrinth“ in seiner aktuellen Ausstellung „Volles Recht auf Spunk und Spiel“. Das Thema kommt so gut an, dass die Ausstellung bis März verlängert wurde. Aber was genau ist eigentlich das Kindermuseum?

Es ist ein Ort, an dem kindgerechtes Lernen groß geschrieben wird. In interaktiven Ausstellungen wird Wissen spielerisch vermittelt: „Kinder sollen Dinge Selbermachen, dabei Zusammenhänge begreifen und Lösungen finden. Sie sollen aus sich selbst heraus lernen und Dinge ausprobieren“, erklärt Geschäftsführerin Roswitha von der Goltz.

So konnten die Kleinen in der letzten Ausstellung „Unterwegs nach Tutmirgut“ auf einem Essensparcours lernen, wozu gesunde Ernährung gut ist, oder in „Pumpolonien“ erfahren, weshalb Bewegung, aber auch Ruhe wichtig sind, und dass Toben auch sein muss.

Die Ausstellungen sind für Kinder von 3 bis 12 Jahren konzipiert. Hier arbeiten etwa 40 Mitarbeiter als Feste, Freiwillige, Ehrenamtliche, Honorarkräfte oder Praktikanten; die meisten sind Pädagogen. Das Personal wird für jede Ausstellung geschult und in das Konzept der einzelnen Stationen eingewiesen.

Was für von der Goltz besonders zählt, sind die unterschiedlichen Zugänge zu den Themen. Jedes Kind, ob Mädchen oder Junge, temperamentvoll oder zurückhaltend, still oder aufbrausend, soll sein eigenes Lernprogramm zusammenstellen können. So können in der aktuellen Ausstellung Kinder entweder in Lönneberga lärmen, sich in Ronjas Räuberhöhle zu den Hörspielen verziehen oder an der „kindgerechten Stadt“ mitbasteln.

Die Themen des Kindermuseums drehen sich immer um die gesundheitliche Entwicklung und die soziale Bildung von Kindern. Während das Spielerische in den Ausstellungen dabei immer als Vermittlungsmethode dient, steht es derzeit auch thematisch ganz im Vordergrund. Das „Recht auf Spunk und Spiel“ ist eine ernst gemeinte Forderung der Ausstellungsmacher. Die UN-Kinderkonvention und die Geschichten der schwedischen Kinderbuchautorin und Kämpferin für Kinderrechte Astrid Lindgren standen Pate bei der Konzeption. Die verspielte Fantasiewelt der Kinder wird in der Ausstellung präsentiert als Raum, der hierzulande zu wenig Schutz erfährt. „Kinder müssen einen anderen Stellenwert in der Gesellschaft haben. Sie sollen ihre Phantasie voll ausleben dürfen“, erklärt Museumssprecher Nikola Mirza.

Weil die Angelegenheiten der Kinder von Erwachsenen geregelt werden, hat sich das Kindermuseum inzwischen auch auf diese konzentriert: „Eltern müssen mit einbezogen werden, denn sie bestimmen das Spielangebot für die Kinder und sind deren Modelle“, sagt von der Goltz. Darum veranstaltet das Labyrinth ausstellungsbegleitende Fortbildungsprogramme für Eltern und Pädagogen, in denen Methoden und Ansätze des Museums vermittelt werden. Außerdem gibt es Fachtagungen, zu Themen wie Kindergesundheit oder Mobbing unter Kindern.

Das Kindermuseum ist somit inzwischen viel mehr als nur Museum: „Wir verstehen uns als Bildungseinrichtung“, erklärt die Geschäftsführerin. So geht das Team für Projektwochen auch in Schulen und Kindertagestätten. Kofferversionen der Ausstellungen werden verliehen. Einmal pro Woche dürfen Kinder aus dem Kiez kostenlos in die Ausstellung, wo sich Pädagogen um sie kümmern – und Pippi, Michel und deren Freunde.

aus dem Wedding Veronika de Haas

Kindermuseum Labyrinth, Osloer Straße 14, Ferienöffnungszeiten: Mo.–Fr. 9–18, Sa. 13–18, So. 11–18 Kinder 3,30 Erwachsene 3,80, Familienkarte 9,90 Euro. www.kindermuseum-labyrinth.de

Geburtstagstorte essen auf dem Altar – in der Elias-Kirche im Prenzlauer Berg ist das möglich. Nicht nur das. Kinder können dort auch Brücken bauen oder sich im Spiegelkabinett verstecken. Seit nunmehr über zwei Jahren. Die Kirche wurde damals entwidmet. Die Gemeinde war in ihr nahe gelegenes Haus gezogen und hatte Platz gemacht für das Kinder- und Jugendmuseum, das sich bis dahin in viel zu kleinen Räumen drängte.

Für 1,6 Millionen Euro von EU, Senat und einigen Stiftungen wurde die Elias-Kirche umgebaut. Dort, wo sich früher die Holzbänke reihten, stehen heute ein riesiges hölzernes Kletterregal, Werkbänke und Cafétische. Auf dem Schild neben der schweren Eingangstür steht jetzt „MACHmit! Museum für Kinder“. Und über dem Fußweg vor der Senefelder Straße 5 wirbt ein Banner, mit der Aufschrift „Leonardo da Vinci. Mach mit!“ für das Ferienprogramm.

Das Museum ist heute eine gemeinnützige GmbH. Die ehemaligen Lehrerinnen Marie Lorbeer und Karen Hoffmann sind ihre Geschäftsführerinnen. Mit fast 20 anderen Pädagogen, Künstlern und Kunsthistorikern bespielen sie das Haus.

Gleich hinter dem Eingang ist eine Druckwerkstatt aufgebaut mit einer historischen Zeilensatzmaschine; gegenüber steht das Originalinterieur eines alten Seifenladens. Die Exponate kann man anfassen. Und benutzen. In Workshops drucken die Kinder Plakate und Karten, oder sie kochen einen großen Topf Kernseife, staunen wie es blubbert und stinkt. „Wir versuchen fundiertes Wissen mit allen Sinnen zu vermitteln. Dabei konzentrieren wir uns inhaltlich auf die Themen Sprache, Kunstgeschichte, Zeitbezug“, sagt Lorbeer.

Zweimal im Jahr wechselt die thematische Ausstellung im Obergeschoss. Einmal ging es um das Thema Paradies, ein anderes mal um Farben, Formen, Fantasie. Derzeit steht Leonardo da Vinci im Mittelpunkt. Modelle seiner Flugmaschine, der Kurbelwelle und des Fahrrads sind zu sehen. In dem Kletterregal hängen Kopien seiner Zeichnungen von menschlichen Körperteilen. Weiter drüben steht eine moderne Erfindung: ein Kinderwagen, den man ans Fahrrad hängen kann.

Die Ausstellungen sind immer mit Workshops verbunden. Diesmal experimentieren die Kinder mit Körpern, die auf dem Wasser schwimmen, lernen wie Ingenieure zu zeichnen, malen Landkarten. Und sie lernen, sich ihre Entdeckungen gegenseitig zu erzählen. „Das ist natürlich kein wissenschaftliches Arbeiten, aber ein Heranführen an die Dinge“, so Lorbeer. „Die Kinder sollen voneinander lernen, nicht wie in der Schule, wo der Lehrer alles weiß und die Kinder nichts.“

Zwischen vier und zwölf Jahre alt sind die Kinder, die aus allen Teilen Berlins hierher kommen. Wochentags vor allem mit ihren Lehrern. Sechs Schulklassen werden an einem Vormittag betreut. Für 90 Minuten. In einem Jahr kommen etwa 1.000 Klassen ins Museum. Am Wochenende sind vor allem Familien hier. Das sind dann schon mal 400 Personen, wenn es draußen kühl ist.

Mit sieben Schulen besteht eine Kooperation: Die Museumsleute besprechen geplante Ausstellungen mit den Lehrern und greifen Themen aus dem Lehrplan auf. Im Unterschied zu einer Projektwoche an der Schule kann sich das Museum umfangreicher auf ein Thema vorbereiten. Außerdem sei es wichtig, dass die Kinder mal an einem anderen Ort sind und eine andere Bezugsperson haben, findet Lorbeer.

Von den 450.000 Euro Gesamtbudget im vergangenen Jahr kamen sieben Prozent Förderung vom Bezirk. „Den Rest müssen wir selbst aufbringen. Durch Projektförderung, Eintrittsgeld und weitere Einkünfte“, sagt Lorbeer. Sogar McKinsey öffnete sie kürzlich die Türen für eine Tagung. Und für 120 Euro können Kinder ihren Geburtstag im Museum feiern – und dann auch auf dem Altar Kuchen Essen.

aus Prenzlauer Berg Friederike Meyer

MACHmit! Museum für Kinder, Senefelder Str. 5, 10437 Berlin, www.machmitmuseum.de, Öffnungszeiten: Gruppen Di.–Fr. 8.30 bis 18 Uhr, Einzelbesucher Mi. bis So. 10 bis 18 Uhr, Eintritt: 4 Euro, ermäßigt 3 Euro, 12 Euro pro Familie (erm. 9 Euro), Auszug aus dem Ferienprogramm: Freitag, 7. Oktober, und Sonntag, 9. Oktober, jeweils 11–18 Uhr: Lucie Koprivova baut mit Kindern Verwandlungsmaschinen für alle wichtigen Dinge im Alltag, Samstag, 8. Oktober, 11–18 Uhr: Kunstwerkstatt „Flecken & Schöpfen“ mit dem brasilianischen Künstler Josias Scharf, Dienstag, 11. Oktober, und Sonntag, 16. Oktober, jeweils 11–18 Uhr: Alles über die „Laterna magica“.