Portrait
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Will Frankreichs Präsident werden: Emmanuel Macron Foto: dpa

Ziehsohnohne Dank

Eine Überraschung war es nicht, als François Hol­landes Exwirtschaftsminister Emmanuel Macron (38) am Mittwoch seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 2017 bekanntgab. Dafür war er ja aus der Regierung ausgeschieden. Rückblickend muss sich das amtierende Staatsoberhaupt sogar fragen, ob sein politischer Ziehsohn sein Amt von Anfang an als Etappe auf dem Weg zur Macht betrachtet hat.

Schon Minister Macron ging ständig auf Distanz zur offiziellen Linie, als gelte es, sich von einem zum Scheitern verurteilten Kurs zu distanzieren. Ob das reicht, um von jeder Mitverantwortung für die unpopuläre Regierungspolitik freigesprochen zu werden, müssen Frankreichs WählerInnen entscheiden. Der Kandidat wirft jugendliche Dynamik und den Willen, mit einer „demokratischen Revolution“ die Politik zu erneuern, in die Waagschale. Für seine Kampagne hat er eine Bewegung namens „En marche!“ gegründet, die bereits mehrere zehntausend Mitglieder zählen soll.

Macron ist nicht Mitglied einer Partei und hat noch nie kandidiert. Trotzdem ist er ein pures Produkt der französischen Kaderschmiede: Nach der Verwaltungshochschule ENA ging er untypischerweise ins Bankengeschäft, wo ihn Hollande dann vor seiner Wahl 2012 als Talent rekrutierte. Danach wurde der Banker, der mit 30 schon Millionär war, zuerst Hollandes Wirtschaftsberater und rechte Hand, dann wichtigster Minister.

Macrons Austritt aus dem Kabinett Hollande kündigte bereits den jetzt folgenden Verrat an seinem Mentor an. Bevor der Präsident sagte, ob er nochmals antreten will, beansprucht sein Ziehsohn seinen Sessel. „Auch du, mein Sohn Brutus“, kann der vom Volk desavouierte „Cäsar“ Hollande nur seufzen. Solche ­politischen Vatermorde gehören in Frankreich durchaus zum ­Werdegang von Spitzenpolitikern und schockieren darum kaum.

Bisher werden Macron rund 15 Prozent der Stimmen vorausgesagt – selbst bei einer Kandidatur Hollandes. Mit seiner „Weder links noch rechts“-Rhetorik findet er ein wachsendes Echo auf beiden Seiten und dürfte so bei den Wahlen im Frühling sowohl für die bürgerliche Opposition wie für die Sozialisten mindestens ein ärgerlicher Spielverderber werden. Rudolf Balmer