Flüchtlinge hinter der Kamera

Exil-filme Zahlreiche Emigranten aus Nazi-Deutschland drehten im Exil weiter Filme. Später arbeiteten geflüchtete Regisseure in Deutschland. Das Cinefest Hamburg zeigt jetzt von beiden Seiten etwas

Von einem „Internationalen Festival des deutschen Film-Erbes“ erwartet man nicht unbedingt aktuelle politische Relevanz. Aber die Organisatoren des diesjährigen Cinefests – ab Samstag im Hamburger Metropolis-Kino – haben mit dem Thema „Gebrochene Sprache – Filmautoren und Schriftsteller des Exils“ genau den Kernkonflikt von heute getroffen. Denn ein Blick darauf, wie Flüchtlinge sich im 20. Jahrhundert in den Ländern ihres Exils eingerichtet haben und welche Geschichten sie dort unter welchen Bedingungen geschrieben oder inszeniert haben, kann das Verständnis der jetzigen Zustände nur vertiefen.

In 25 Filmen, die zwischen 1918 und 1991 entstanden sind, werden die Arbeiten von Künstlern gezeigt, die in einem Land, das ihnen Zuflucht gewährte und in dem meist nicht ihre Muttersprache gesprochen wurde, entweder Drehbücher oder die literarischen Vorlagen für Filme schrieben. Dass mit 15 Filmen mehr als die Hälfte von ihnen zwischen 1933 und 1942 entstand, verwundert nicht, denn die Flucht der jüdischen und politisch verfolgten Künstler aus Nazideutschland war der größte Exodus von Kulturschaffenden in der Geschichte. Und dies betraf gerade und zu allererst die Filmindustrie.

Dabei passt der bekannteste Film im Programm, „Ninotchka“, auf den ersten Blick nur bedingt ins Konzept, denn der Regisseur Ernst Lubitsch war schon zu Stummfilmzeiten nach Hollywood gegangen. Doch zu seinen Drehbuchautoren zählten Billy Wilder, der im Team von Lubitsch seine amerikanische Karriere begann, und Walter Reisch aus Österreich. Beide gehörten auch neben Fernec Molnar, Ladislav Fodor und Max Nosseck zur Mannschaft, die an dem Episodenfilm „Tales of Manhattan“ von 1941 arbeitete.

Aber die Exilanten machten nicht nur in Hollywood Filme. Der Ungar Alex Korda inszenierte mit seinem Landsmann Lajos Biró „The Private Life of Henry VIII“ in Großbritannien den ersten britischen Film, der für den Oscar nominiert wurde. Georg Wilhelm Pabst drehte „Du Haut en Bas“ in Frankreich, Max Ophüls seine „Komedie om Geld“ in den Niederlanden und Hermann Kosterlitz konnte seine Komödie mit dem schönen Titel „Kleine Mutti“ 1935 noch mit vielen jüdischen Künstlern in Wien drehen.

Vor 1933 flohen politisch verfolgte Künstler nach Deutschland. So drehte der Russe Alexis Granowsky mit „Das Lied vom Leben“ einen waschechten sowjetischen Avantgardefilm, der so in seinem Heimatland inzwischen nicht mehr erwünscht war. In den 1970er-Jahren flohen dann viele Intellektuelle aus Chile nach Deutschland und Christian Ziewer inszenierte nach einer Erzählung von Antonio Skármeta den Film mit dem programmatischen Titel „Aus der Ferne sehe ich dieses Land“. Hip

19. bis 27. November, Cinefest „Gebrochene Sprache“, Metropolis, Hamburg