Der Drang in die Ferne

Immer mehr Berliner suchen eine Perspektive im Ausland. Qualifiziertes Personal ist vor allem in EU-Ländern gefragt. Australien startet eine Einwanderungskampagne und lädt zur Jobbörse nach Berlin

von RICHARD ROTHER

Es muss nicht gleich Australien oder Neuseeland sein. Torsten Behn* versucht sein Glück in Österreich. Lange hat der 18-jährige Prenzlberger eine Ausbildungsstelle gesucht, jetzt beginnt er eine Lehre als Koch in einem Urlaubsort der Alpenrepublik, seine Freunde zurücklassend. Oder Katarina Schmahle*. Die 35-jährige Anwältin einer großen Kanzlei hat ihren Job gekündigt, um im südafrikanischen Johannesburg einen neuen anzufangen – und damit einen Lebenstraum zu erfüllen. Immer mehr Berliner kehren ihrer Heimatstadt den Rücken. Sei es, um überhaupt einen Job zu finden, sei es um ein neues Leben anzufangen.

Wie viele Berliner tatsächlich wegen einer neuen beruflichen Perspektive weggehen, lässt sich statistisch kaum fassen. Zumindest scheint der Drang nach draußen zu wachsen, obwohl er noch längst nicht die großen Massen erfasst hat. Jede Woche führt der Europa Service der Arbeitsagentur eine Info-Veranstaltung über Jobmöglichkeiten im europäischen Ausland durch. „Das Interesse ist riesig“, sagt Daniela Bigalk, zuständige Abteilungsleiterin. Zwischen 80 und 130 Menschen schauten regelmäßig vorbei.

Gesucht werden schließlich Arbeitskräfte in fast in allen Berufen: Handwerker und Krankenschwestern in Großbritannien, Call-Center-Mitarbeiter in Großbritannien und Irland, und in den Niederlanden haben Bauarbeiter, Elektromonteure große Chancen. Sogar für Hilfskräfte und Erntehelfer aus Berlin und Brandenburg kann sich die Arbeitsreise nach Holland mit Übernachtungsmöglichkeit in Gemeinschaftsunterkünften lohnen – wird dort doch ein Mindestlohn gezahlt, von dem manch Berliner nur träumen kann. Junge Ärzte gehen nach wie vor nach Skandinavien. Auch Kfz-Mechaniker sind dort willkommen, sie sollten aber schon über Sprachkenntnisse verfügen.

Bundesweit haben die Arbeitsagenturen in diesem Jahr schon knapp 5.500 Menschen ins EU-Ausland vermittelt, mehr als 10.000 sollen es in diesem Jahr noch werden – gegenüber den rund 7.000 des vergangenen Jahres ein deutlicher Zuwachs. Zwei Drittel der deutschen Arbeitsmigranten kommt aus Berlin und Ostdeutschland. Ein Ausbluten der neuen Länder sieht die Agentur darin nicht. „Wer im Ausland arbeitet, sammelt vielfältige Erfahrungen und hat bei der Rückkehr gute Chancen auf einen Arbeitsplatz“, heißt es. Insgesamt sei die Vermittlung ins Ausland aber nur ein kleiner Beitrag im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit.

Wer ganz weg will, muss die Sprache des Ziellandes können. Zumindest ist das ein Muss für Australien, Gegenstand deutscher Auswandererträume schlechthin. Wer an der Jobbörse der Australischen Botschaft, die gestern und heute in Berlin stattfindet, teilnehmen will, muss sich unter www.immi.gov.au auf Englisch anmelden. Auch bei der Messe, auf der 26 potenzielle Arbeitgeber über 1.300 Stellen anbieten, ist die Verkehrssprache Englisch. „Wir sind begeistert, dass so viele Menschen mit guter Ausbildung und sehr guten Sprachkenntnissen gekommen sind“, so eine Sprecherin der australischen Einwanderungsbehörde.

Die australische Jobbörse in Berlin ist die einzige in Deutschland. Sie ist Teil der australischen Einwanderungskampagne in Europa und Indien. Damit will Australien die Quote qualifizierter Einwanderer auf 97.500 pro Jahr erhöhen – eine Steigerung um etwa 20.000 gegenüber dem Einwanderungsprogramm des vergangenen Jahres.

Zurzeit ist die Arbeitsmarktlage in Australien angespannt, aber anders als in Berlin. Seit über einem Jahrzehnt boomt die Wirtschaft, und viele Unternehmen haben Schwierigkeiten, qualifizierte Beschäftigte zu finden. Die neue Kampagne mit Jobbörsen in London, Amsterdam, Chennai (Indien) und Berlin soll diese ins Land locken. Zumindest für eine solche Börse ist Berlin also ein guter Standort.

*Name geändert