Punkrocker erzählen aus ihrem Leben

ClubfilmnächteSo war das früher, so ist es jetzt: In der kommenden Woche werden in Berliner Clubs Filme über Berliner Clubs gezeigt, von 1978 bis heute

Es wird weiter gefeiert in Berlin: Free Open Air 2015 Foto: Clubfilmnächte

Berlin hat heute fast so viele Clubs wie Bushaltestellen. Den Eindruck gewinnt man nicht nur bei einem Streifzug durch das Nachtleben, sondern man kann das auch im Netz gut nachverfolgen; es gibt Maps, auf der die Venues verzeichnet sind.

Wie diese Clubkultur zu dem wurde, was sie heute ist, das kann man sich jetzt bei den „Clubfilmnächten“ erzählen lassen. Die Club Commission, Interessenvereinigung der Szene, zeigt eine Woche lang Produk­tio­nen, die sich mit dem Nachtleben Berlins beschäftigen. Fünfzehn Jahre gibt es die Club Commission, und das ist der Anlass, auf die Zeit von den späten Siebzigern bis heute zu blicken.

Die Clubkultur in Berlin habe natürlich viel früher begonnen, sagt Kurator Andreas Döhler; man hätte auch mit den Jazzclubs der Nachkriegszeit beginnen können. Der Zeitraum, den man nun gewählt habe, von circa 1978 bis heute, sei daher eher willkürlich gewählt. Döhler, ehemaliger Betreiber des Central Kinos und mit der Berliner Subkultur seit Mitte der Achtziger verbunden, sagt, es sei für alle Epochen noch viel Material zu bergen und zu sichten.

Mit Punk setzt die Clubgeschichtsstunde am kommenden Montag im Gretchen ein, wobei Dokumentationen über Legenden wie das SO36 („So war das S.O.36“ von Jörg Buttgereit) und den Schöneberger Club Risiko („Last Morning Of Risiko“) zu sehen sein werden. Auch der geil trashige Kurzfilm „Der Trend – Punkrocker erzählen aus ihrem Leben“ (ebenfalls von Buttgereit) wird gezeigt.

Eine Weltpremiere folgt am Mittwoch. Der Berliner Regisseur Uli Happe hat gerade seine Dokumentation über The Mutoid Waste Company fertiggestellt, jene Performance- und Happening-Gruppe, die zur Wendezeit regelmäßig den Görlitzer Park und die Brache am Potsdamer Platz bespielte. Die spektakulären Müllinstallationen und Schrottmobile, die das britische Kollektiv in ganz Europa vorführte, kommen in „Declassified: The Mutoid Waste Files“ sehr gut rüber.

Eine der bekanntesten Aktionen der Gruppe, als sie kurz vor dem Mauerfall einen metallenen „Peace Bird“ und einen Bumerang über die Mauer in den Osten schießen wollen und so die Grenzposten alarmieren, ist hier dokumentiert. Happes Film zeigt auch, dass Clubkultur immer mehr als „nur“ Musikkultur war und ist. Mit der Mutoid Waste Company begann auch die Zeit, in der Berlin der subkulturelle Abenteuerspielplatz wurde, dessen Erbe man heute institutionalisierter erleben kann.

„Berlinized. Sexy an Eis“ (2012), eine Dokumentation von Lucian Busse, bildet diese Zeit, in der Zwischennutzung von Räumen zum obersten Prinzip wurde und Berlin zur Hauptstadt der elektronischen Tanzmusik wurde, super ab. Busse lässt etwa den ehemaligen Betreiber des Kunst & Technik, einst ein Club in einer alten, flachen Halle an der Museumsinsel, zurückblicken. Wer die Mitte von damals noch mal sehen möchte, in der es Orte wie das Panasonic, das Sexiland, den Eimer und die Galerie Berlintokyo gab, der schaue diesen Film (der Subtitel „Sexy an Eis“ geht übrigens auf den Namen eines Drinks in der Galerie Berlintokyo zurück). Mode, Film, Kunst und Musik: Alles ging in den Neunzigern in einem Lebenskonzept des Sich-selbst-Erfindens, des Erfindens der Stadt, zusammen.

Erfreulicherweise sind die Clubfilmnächte nicht nur ein reiner Blick zurück. Filmemacher Art Bumiller zeigt in „Oh Yeah. Berlin. Macher aus der Berliner Subkultur“ (2015) eine quicklebendige zeitgenössische Szene, in der sich neue Entwicklungen abzeichnen – die Kollaborationen von Tape-Art- mit Videomapping-Künstlern in Berliner Locations etwa sind beeindruckend. Gleichzeitig por­trä­tiert Bumiller Künstlerinnen wie die lebende Diskokugel Bella Berlin oder die Synthesizer-Fricklerin Pilocka Krach, die einfach immer weitermachen und dabei angenehm vorwärtsgewandt bleiben. Frau Krach ist es wichtig, dass es „groovt und shakt und auch auf die Fresse haut und rockt“. Jens Uthoff

Vom 21. bis 27. November in verschiedenen Locations, www.clubfilmnaechte.de