Ehrenamt auch für 80-Jährige

DISKRIMINIERUNG Ältere sollen länger arbeiten dürfen – und auch im hohen Alter ehrenamtliche Posten bekleiden, fordert eine Kommission

„Ältere aus dem Ehrenamt rauszudrängen ist dumm“

HENNING SCHERF (SPD)

VON EVA VÖLPEL

BERLIN taz | Kann man mit 78 Jahren nicht mehr als Telefonseelsorgerin arbeiten? Auf dem Internetportal www.altersdiskriminierung.de klagt eine Frau anonym darüber, dass sie den ehrenamtlichen Job, den sie jahrelang ausgeübt hat, an den Nagel hängen soll. „Es ist diskriminierend, das Geburtsdatum als Maßstab zu verwenden und nicht die Fähigkeit des Menschen“, schreibt sie.

Christiane Lüders, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, zählte am Dienstag in Berlin weitere Beispiele auf, bei denen Menschen über 65 entweder aus einer ehrenamtlichen Tätigkeit oder aus dem Beruf ausscheiden mussten. „Alle Fälle sind legal, aber die Menschen werden wegen ihres Alters benachteiligt“, sagte Lüders. Jede fünfte der über 1.500 Anfragen, die die Stelle seit ihrem Bestehen bekommen hat, drehe sich um Altersdiskriminierung.

Welche Altersgrenzen wie fallen sollen, darüber hat sich in den letzten Monaten eine von der Antidiskriminierungsstelle eingesetzte Kommission unter Vorsitz des ehemaligen Bremer Bürgermeisters und SPD-Politikers Henning Scherf Gedanken gemacht. Sie präsentierte am Dienstag ihre Forderungen.

Für Scherf ist klar: „Ältere aus dem Ehrenamt rauszudrängen ist dumm.“ Längst nicht jeder Verein möchte ältere Mitglieder loswerden. Doch bei so mancher Freiwilligen Feuerwehr, für Schöffen- oder etliche Bürgermeisterämter sowie einige Kirchenvorstände gelten Höchstaltersgrenzen. Das sollte per Gesetz verboten werden, so der Vorschlag der Kommission. Komplizierter ist die Lage hingegen auf dem Arbeitsmarkt.

Zwar arbeiten laut Statistischem Bundesamt über 900.000 70-Jährige. Doch viele Tarifverträge sehen ein automatisches Ausscheiden aus dem Beruf vor – in der Regel bei Erreichen der gesetzlichen Rentenaltersgrenze, die derzeit schrittweise von 65 auf 67 Jahre angehoben wird. Allerdings erhebt bisweilen die Justiz Einspruch. So entschied etwa der Europäische Gerichtshof 2011, dass Berufspiloten bis 65 und nicht nur bis 60 Jahre arbeiten dürfen.

Der Kommission bleibt an diesem Punkt allerdings in der Regel nur der Appell an Arbeitgeber und Gewerkschaften, Tarifverträge anders zu gestalten. Und mehr zu tun für altersgerechte Arbeitsplätze. „Da passiert schon einiges, aber es reicht noch nicht aus“, sagte Gerhard Naegele, Professor für soziale Gerontologie in Dortmund, der die Kommission wissenschaftlich geleitet hat.

Veränderungsbedarf sieht das Gremium auch bei der Rente. Scheidet man vor Erreichen der Regelaltersgrenze aus dem Beruf aus, muss man bis ans Lebensende Rentenabschläge in Kauf nehmen. Andererseits darf man nur 400 Euro dazuverdienen. Ist es mehr, wird die Rente gekürzt. Diese Hinzuverdienstgrenzen sollte vollständig aufgehoben oder spürbar angehoben werden, fordert die Kommission. Zumindest das wird wohl bald schon Realität. Die Regierung hat vereinfachte Zuverdienstregeln für Frührentner bereits in einen Gesetzentwurf gegossen.