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Die WahrheitUnverlangte Li-La-Lyrik

Die Wahrheit wird 25! Greatest Hits (7): Wie Wahrheit-Gedichte entstehen und warum sie leichtfüßig tänzeln. Ein persönlicher Werkstattbericht.

Illustration: Ari Plikat

Die Wahrheit hat in den vergangenen zwei Monaten ihre besten Geschichten noch einmal Revue passieren lassen. Mit Teil sieben endet heute die Serie über die kleine Geschichte der Wahrheit.

Ich hasse Gedichte! Jedenfalls schlechte, von denen ich jeden Tag mindestens eines per Post bekomme. Gedichte werden selten als Email verschickt, sie werden sorgfältig auf gediegenes Briefpapier gepinselt und in akkurat verzierte Umschläge verpackt. Jeden Tag entnehme ich meinem Büropostfach eine dieser Botschaften, deren Inhalt ich schon von außen erkennen kann. Dann stehe ich im Fahrstuhl und reiße das Kuvert auf, rolle mit den Augen und stöhne so laut, dass die Kollegen erschrecken: „Ein Gedicht, ein Gedicht!“

„Wer reitet so spät durch Nacht und Wind, / es ist die Merkel mit ihrem Flüchtlingskind…“, rumpelt es los und geht auch nicht besser weiter. Zuvor hat der Verfasser in einem zehnseitigen Anschreiben seinen Lebenslauf mitgeteilt und, dass er auf eine einmalige Idee gekommen sei. Er bringe nämlich die aktuelle Lage mit einem seit seiner Schulzeit nicht mehr gelesenen Poem auf den Punkt. Exklusiv biete er uns das wertvolle Meisterwerk an, wobei Spiegel und Zeit ebenfalls Interesse bekundet hätten und an der Sache dran seien, weshalb man schleunigst zuschlagen und es drucken sollte, bevor es zu spät sei.

Neunzig Prozent dieser Verse paraphrasieren bekannte Klassiker: „Denk ich an Deutschland in der Nacht, / bin ich um den Schlaf Horst Seehofers gebracht!“ Goethe, Schiller, Heine sind die zeitlosen Heroen des bildungsbürgerlichen Teilzeitdichters. Es ward aber auch schon ein Wilhelm Busch oder sogar Robert Gernhardt gesehen. Noch immer gilt, was Moritz Gottlieb Saphir 1842 in der Wiener Zeitschrift Der Humorist am „Gelegenheitsdichter“ tadelt: „Bei dieser Gelegenheit wird denn gelegentlich zusammengestohlen, was einem eben gelegen ist, denn: Gelegenheit macht Diebe!“

Schweres Erbe

Ich hasse Gedichte! Weil ich ein schweres Erbe übernommen habe. Seit mehr als zwanzig Jahren gibt es auf der Wahrheit-Seite der taz jeden Donnerstag ein komisches Gedicht. Eingeführt wurde der Gedichtetag von der Wahrheit-Redakteurin der neunziger Jahre Carola Rönneburg, die später auch einen Sammelband mit den besten Werken herausgegeben hat: „Oben lag der Apennin / Unten legte ich mich hin“. Das Buch beginnt mit den veritablen Worten: „Die Wahrheit spricht / im Reimgedicht.“

In zwei Jahrzehnten haben sich die donnerstäglichen Gedichte zu einer Lieblingsrubrik der Leser entwickelt. Das ist edel, schön und gut, birgt aber auch Probleme. Denn wo wird heutzutage überhaupt noch Lyrik in Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht, von komischen Gedichten ganz zu schweigen? Abgesehen von unfreiwillig komischer Poesie in christlichen Provinzbäckerblumen, deren Ästhetik die Wahrheit manchmal zitiert und parodiert. Aber deshalb glaubt jeder Volkshochschulreimer hier ein Forum finden zu können.

Selbstbegeisterte Wortschnitzer

Ich hasse Gedichte! Zumindest die unverlangt eingesandten. Sie versetzen den Redakteur in ein moralisches Dilemma. Man will dem Verfasser, der sicher hart an seinem Produkt geklöppelt hat, ja gar nichts Böses. Doch seine dilettantischen Ergüsse schmerzen bisweilen geradezu körperlich. Oft sind die Verfasser Strafgefangene oder in der Psychiatrie Einsitzende oder pensionierte Studienräte im Gefängnis des Ruhestands. Man kennt das aus zurückliegenden Zeiten: Geraten Menschen in eine existenzielle Notlage wie Kriegsgefangenschaft, dann beginnen sie zu dichten. Die Dichtkunst als gehobene Form scheint die einzige Ausdrucksmöglichkeit, um das Elend der Erniedrigung oder schlicht der Langeweile zu ertragen. Auf sich selbst zurückgeworfen, blickt der Mensch in sein Innerstes und entdeckt dort Reime, die kühn ans Tageslicht drängen.

Leider entstehen so nur selten druckfähige Erzeugnisse, weil sich die lyrischen Locken selbstbegeisterter Wortschnitzer stets nur um eines drehen: Ich, Ich, Ich. Und wenn der Pegasusreiter sich nicht mit seinem Ego beschäftigt, sondern mit Politik, dann sieht er sich bereits als lorbeerumkränzter Träger hoher Auszeichnungen. Selbst wenn das Gedicht noch gar nicht niedergeschrieben ist. Einmal – und das ist eine wahre Geschichte – rief ein selbst ernannter Poet in der Wahrheit-Redaktion an und wollte seine Verse am Telefon vortragen, das heißt: nur den Anfang, denn das preisverdächtige Gedicht zur Lage der Nation war noch gar nicht fertig. Er habe gerade keine Zeit, es aufzuschreiben, da er mit dem Motorrad an der Tankstelle stehe und gleich weiter müsse, erklärte der reisende Blitzdichter, dessen Kunstwollen ich später in einem Kurzdrama mit dem Titel „Li-La-Lyrik“ verewigt habe – inklusive des phänomenalen Verses: „Die Bundeswehr im Kosovo / froh wie der Mops im Paletot.“

Der reisende Blitzdichter stand mit dem Motorrad an der Tankstelle und gab seine Verse telefonisch durch

Rumpelndes Metrum in feixender Runde

Ich hasse Gedichte! Auf jeden Fall die feierlichen. Wer kennt es nicht, wenn beim runden Geburtstag der Großmutter zwischen Kaffee und Kuchen Onkel Eberhard das Leben der Jubilarin in monatelang schwer geschmiedeten Reimen Revue passieren lässt. Man windet sich auf seinem Stuhl wegen des quietschenden Rhythmus und rumpelnden Metrums. Es ist eine einzige krumme Katastrophe, vorgetragen vom brunzdümmsten Vertreter der Familie, eben jenem Onkel Eberhard, der einem schon als Kind suspekt war, weil er braune Sandalen und beige Socken zur kurzen Khakihose trug und verdrückte Witze erzählte über Busen und Flusen und jede Frau in seiner Nähe antatschte und nun mit frivolen Anspielungen auf Oma die feixende Runde erfreut, die immer wieder zu einem herüberlinst – schließlich habe man ja beruflich irgendwas mit Literatur zu tun und verstehe wohl einiges von der Sache.

Wenn dann aber nicht mehr zu verbergen ist, wie sehr man die frotzelnde Feierdichtung verabscheut, wird die vorwurfsvolle Frage gestellt: „Warum machst du das dann nicht selbst?“ Die einzig mögliche Antwort ist: „Weil ich Gedichte hasse!“ Und das versteht dann wieder die Familienbande. Denn Gedichte sind sowieso nichts Reelles, sondern nur Kokolores. Anerkennend wird genickt: Guck an, der Junge hat zwar in der Großstadt studiert, aber ist doch bodenständig geblieben. Für diese „Rückkehr nach Reim“ sollten französische Soziologen einmal den Begriff der „sozialen Schamlyrik“ prägen: „C’est bon, c’est bon / Géramont, Eribon.“

Späte Rettung

Ich hasse Gedichte! Besonders die schulischen. Auf dem Gymnasium wurde ich mit „Lesen – Darstellen – Begreifen“ gequält, dem ebenso legendären wie verstaubten Deutschlehrbuch. Der modernste Poet darin war Brecht, und selbst der gar nicht so Falsche wurde totkanonisiert. Für die Schulzeit gibt es eine goldene Regel: Nur wer schlechte Noten im Deutschunterricht hat, kann ein passabler Schriftsteller werden.

Ich hasse Gedichte auch aus Neid, weil mein Mitschüler Peter Parker mühelos auf Zuruf Zwei- und Vierzeiler aus seinem Giggelkopf hervorzaubern konnte. Damals war er für mich vernebeltes Pubertätstränentier der größte Gelegenheitsdichter deutscher Zunge. Leider wurde er später zu dem Typus, der mir im Berufsleben öfter begegnen sollte: das vergeudete Talent. Für ihn wie für so viele andere empfindsame Versschmiede gilt die bittere Erkenntnis: Dichten – das ist fünf Prozent Talent und 95 Prozent Schweiß. „Die schärfsten Kritiker der Elche / waren früher selber welche.“

Die Rettung kam erst spät, mit Eckhard Henscheid, F.W. Bernstein und Robert Gernhardt, mit den Mitgliedern der Neuen Frankfurter Schule, die als große Ironiker stets vehement bestritten, Lehrer zu sein, aber genau das waren, indem sie in ihrer komischen Schule unter anderem einen neuen Zugang zur Lyrik schufen und einige wesentliche Dinge vermittelten: Dass man zum Beispiel selbst Goethe verbessern kann; dass das Auswendiglernen und Aufsagen von Gedichten aufregend sein kann; oder dass Gedichte schlichtweg Spaß machen können: „Der Kragenbär, der holt sich munter / einen nach dem anderen runter.“

Rote Linien

Ich hasse Gedichte! Denn ich darf sie nicht wie ein Normalleser genießen, sondern muss sie als Redakteur erarbeiten. An jedem Montag beginnt der Kampf um den raren Seitenplatz am Donnerstag. Auf der sonst nie gut gefüllten Halde für Texte stapeln sich die Gedichte. Ist Not am Mann, kein Text zur Hand, kann man immer ein Gedicht auf die Seite hieven – nicht nur donnerstags. Am liebsten würde jeder Dichter jeden Tag eines seiner Werke veröffentlicht sehen. Doch oft kommt ein „gravierendes Ereignis“ dazwischen und der Redakteur muss das schon fertige Stück „absagen“, wie das bei Autoren meistgehasste Wort heißt.

Hat es der Dichter aber geschafft, sein Werk zu „verkaufen“, folgen die inhaltlichen Verhandlungen: In Strophe eins ist eine Dopplung, in Strophe zwei ein unnötiges Füllwort, in Strophe drei wird der stilistische Kniff übertrieben, um eine falsche Betonung auszugleichen. Und fast jedes Gedicht ist um mindestens eine Strophe zu lang, die allerdings der Autor für die beste hält, während der Diktator von Redakteur feststellt, dass ohne sie das Gedicht „rund“ ist. Zuletzt muss der Redakteur den Despoten geben, damit es irgendwann ein Ende der Diskussion hat. Spätestens am nächsten Tag, wenn das Werk auf der Seite, eingebettet in ein beeindruckendes Bild, zu besichtigen ist und als Zugabe Leserlob eintrifft, ist der Disput vergessen – bis zum nächsten Mal.

Ich hasse Gedichte! Weil sie auf der Wahrheit-Seite ein Bild brauchen. Und das bedeutet, Verhandlungen mit der Fotoredaktion aufzunehmen und in wenigen Worten zusammenzufassen, was der Inhalt des Gedichts ist und was für ein Motiv dazu passen könnte. Da gehen die Vorstellungen aller Beteiligten mitunter weit auseinander. Gern stöbern Fotoredakteure Motive „quer zum Thema“ auf, dann soll statt einer gewünschten Weintraube eine Erdbeere „der Hingucker“ sein. Als Redakteur rollt man dann mit den Augen und versucht, den Blick der Fotospezialisten auf andere Aspekte zu lenken. Nur eine rote Linie darf nie überschritten werden: Ulkige Bilder von Scherzagenturen funktionieren gar nicht, weil sie meist nicht komisch sind oder in ihrer bemühten Witzigkeit zu sehr vom Witz des Gedichts ablenken.

Oft einigt sich man auf der formalen Ebene, das Motiv muss viel Himmel oder Wasser aufweisen, um den Text hineinstellen zu können. Layouter schätzen landschaftliche Panoramen, um die Dritten im Bunde zu erwähnen, wenn es darum geht, das Wahrheit-Gedicht ansprechend zu präsentieren. Und wieder wird verhandelt, welche gestalterischen Möglichkeiten es gibt. Meist entscheiden die Layouter, die den besseren Blick aufs Ganze haben, auch wenn ihnen dieser schräge Reimkram nicht ganz geheuer ist.

Verkehrter Arbeitsprozess

Ich hasse Gedichte, weil ich in Notfällen selbst dichten muss. Wie am Freitag, dem 13. November 2015, als ich bis tief in die Nacht auf allen Kanälen das Blutbad von Paris verfolgte. In solchen Momenten schaltet das Hirn eines Redakteurs auf professionellen Modus und stellt Fragen: Wie kann man angemessen auf ein barbarisches Attentat mit den Mitteln der Satire reagieren? Welche Textsorte lässt sich einsetzen? Solch einem Ereignis kann man sich nur von der Form her nähern. Auch ein Chirurg wird während einer Operation keine Tränen des Mitgefühls über den Zustand seines Patienten vergießen, sondern die Lage distanziert analysieren und überlegt handeln. Poesie ist dann eine der wenigen Bewältigungsmöglichkeiten. Und so entstand zum Beispiel das Gedicht mit dem Titel „So Gott wie tot“, bei dem sich der Arbeitsprozess verkehrte: War ich dem Autor bisher Lektor, wurde er nun zum Redakteur. Der Göttinger Könner Reinhard Umbach leistete Amtshilfe und trug entscheidende Verbesserungen bei – mit den bekannten Argumenten: Da ist eine Dopplung, dort gibt es eine falsche Betonung, aber insgesamt ist es nach den paar Korrekturen „rund“. „Ach hätte Gott doch in Paris / sich mitgesprengt ins Paradies.“

Solche Modifikationen muss man als Dichter aushalten können, denn auch Poesie ist das Ergebnis eines kollektiven Arbeitsprozesses. Immer noch halten wir am Bild des singulären Schöpfers fest, das der romantische Geniekult des 19. und der pathetische Nationalsozialismus des 20. Jahrhunderts prägte: Der geniale Heros formt seine hohen Worte aus dem Nebel tiefschürfender Gedanken und knattert sie dann bei Kerzenlicht in der zugigen Denkerstube aufs Pergament – fertig! Nein, auch ein Gedicht braucht unbedingt kenntnisreiche Gutachter wie zum Beispiel die Wahrheit-Kolleginnen Barbara Häusler, Corinna Stegemann oder Harriet Wolff, die allesamt auf die Wahrheit-Gedichte eingewirkt haben. Es braucht Korrektoren und Bildbearbeiter, Gestalter und Hersteller, ohne sie wäre alle Poesie nichts. Dichten bedeutet auch, die Persönlichkeit des Autors hinter sich zu lassen, die Perspektive zu wechseln und die Position des Gegenlesers einzunehmen. Schreiben kann jeder, sich selbst redigieren ist die Kunst. Und die größte Kunst ist, harte Maloche wie leichtfüßiges Tänzeln aussehen zu lassen.

Ich hasse Gedichte! Allein dafür, dass wir sie in einer kleinen, armen Zeitung präsentieren, die kein angemessenes Honorar zahlen kann. Peinliche dreißig Euro erhält ein Wahrheit-Dichter pro Veröffentlichung. „Gedicht ist die unbesoldete Arbeit des Geistes“ – da hat sich kaum etwas verändert seit den Tagen des hauptberuflichen Arztes Gottfried Benn, der in der Weltbühne vom 29. Juni 1926 eine präzise Rechnung aufmacht, wie viel er in fünfzehn Jahren „Dicht- und Schriftstellertum“ mit seinen Werken „Summa summarum“, so der Titel des Artikels, verdient hat: „Es sind 975 Mark.“

Dafür haben die Wahrheit-Gedichte einen der ungewöhnlichsten Veröffentlichungswege aller Zeiten gefunden: die Telefonwarteschleife der taz, bei der eben nicht wie sonst üblich Lalamusik losdudelt. Zwei Warteschleifen mit Wahrheit-Versen habe ich in einem Tonstudio besprochen. Von den Anrufern werden die Wartegedichte geliebt, im Haus wird vor allem die Ansage gehasst, weil sie bei Anrufweiterleitungen jedes Mal von vorn losgeht: „taz. die tageszeitung. Sie werden gleich verbunden. Solange: Gedichte von der Wahrheit-Seite.“

Am Ende bleibt nur der Ruhm

Ich hasse Gedichte – eigentlich nur ein wenig. Ich bekomme nämlich als Redakteur nicht nur schlechte, sondern auch sehr, sehr gute Verse zugesandt. Oden und Hymnen, Sentenzen und Sonette, Knittel und Knöttereien – die Wahrheit-Profis beherrschen alle klassischen und modernen Formen und wenden sie spöttelnd auf ebenso zeitlose wie aktuelle Vorgänge an. Dann werden beispielsweise Alltagsphänomene vorgeführt wie in der „Notiz eines immer gerngesehenen Besuchers“ von Thomas Gsella: „Die Kerze längst kurz. / Im Bauch eine Lauge / aus Bier, Wein und Eier- / likör. Es war nett! // Ein mächtiger Furz. / Ich öffne ein Auge / und kotz wie ein Reiher / ins Gäs-tebett.“ Oder es wird vor politischen Wiedergängern wie den „Dresdner Zombies“ gewarnt von Peter P. Neuhaus: „Denn dies ist Traum jedes Verwesten: / Am Montag Walking Dead in Dresden.“

Wahrheit-Dichter wie Fritz Eckenga, Thomas Gsella, Christian Maintz, Reinhard Umbach, Peter P. Neuhaus, Kathrin Passig, Klaus Pawlowski, Bernd Penners, Horst Tomayer, Jan Kaiser, Rayk Wieland, Matti Lieske, Carola Rönneburg, F.W. Bernstein, Georg Raabe, Dietrich zur Nedden, Susanne Fischer, Steffen Brück, Jörg Borgerding, Holger Paetz, um nur einige zu nennen, die für die Wahrheit dichten oder gedichtet haben, erhellen mit ihrem herzergreifenden Witz selbst den dunkelsten Ruhrgebiets-November oder führen mit ihrer klassischen Belesenheit frivole Verse in höhere Sphären oder formen rätselhafte Gedankengänge in schachblitzschnelle Reime. Alle rufen sie beim Leser wenigstens ein Lächeln hervor, getreu der Wahrheit-Devise: Ein Lächeln am Tag – und die Welt ist gerettet.

Am Ende bleibt wohl nur der Ruhm – auch wenn diese wahren Enthusiasten der komischen Poesie in „seriösen“ Lyrik-Anthologien meist unterschlagen werden, weil im Deutschen noch immer das Leichte als minderwertig, das Ernste aber als Kunst gilt. Den Ruhm jedoch haben sich die Wahrheit-Dichter redlich verdient. Sie sind komisch, edel und gut. Und deshalb liebe ich die Wahrheit-Gedichte: für ihren Witz und Pragmatismus, ihre Pathosferne und Stilsicherheit und vor allem für ihre Ironie wie bei meinem absoluten Lieblingsstück von Holger Wicht, das den Titel „Halbherzige Absage“ trägt: „Noch ein Gedicht? / Nein, heute nicht.“

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