heute in Bremen
: „Geburten sind wichtig“

Kino Eine Gruppe junger Frauen zeigt einen Film über Geburtskultur und lädt zur Diskussion

Kim-Nikoline Kraul

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26, studiert Kulturmanagement. Sie engagiert sich ehrenamtlich für den Verein „wellcome“, der Familien nach der Geburt unterstützt.

taz: Frau Kraul, Sie haben keine Kinder – warum ist Ihnen das Thema Geburt so wichtig?

Kim-Nikoline Kraul: Weil es eine hohe gesellschaftliche Relevanz hat und Eltern und GeburtsbegleiterInnen nicht alleine die Verantwortung dafür tragen sollten, dass es ihnen und den Kindern gutgeht! Eine Geburt ist ein natürlicher Vorgang, der in der Regel nicht gemanagt werden muss. Interventionen wie etwa die PDA, die in Kliniken an der Tagesordnung sind, erschweren Geburtsverläufe. Wehen, die medikamentös eingeleitet werden, sind für viele Frauen viel schwerer zu ertragen, weil sie eine ganz andere Qualität haben, plötzlich kommen und gleich sehr schmerzhaft sind. Nichthandeln ist unter der Geburt häufig besser als Handeln.

Das sehen die meisten Menschen aber anders. Nicht umsonst finden über 98 Prozent aller Geburten in Kliniken statt, weil Eltern sich ärztliches Handeln wünschen.

Ja, weil sie Angst haben! Wenn ich immer nur höre, wie gefährlich Schwangerschaft und Geburten sind und was alles schieflaufen kann, dann bin ich froh, wenn ich die Verantwortung an jemand abgeben kann, der mir sagt: „Ich mach das und dann wird alles gut.“ Da wird die Angst nach außen verlagert, anstatt sich mit ihr auseinanderzusetzen. Ich bin sehr viel auf Tagungen zu dem Thema unterwegs und höre auch von Geburtshelfern und -helferinnen, dass viele Frauen nicht selbst aktiv gebären, sondern entbunden werden möchten. Dieses Bedürfnis, andere machen zu lassen, zieht sich durch unsere Gesellschaft.

Und jetzt machen Sie diesen Frauen ein schlechtes Gewissen, dass sie am Ende selbst schuld daran sind, dass ihr Kind per Kaiserschnitt auf die Welt gekommen ist?

Nein, ich möchte das Gegenteil erreichen! Es gibt im Internet viele Foren, in denen Frauen negative bis traumatische Geburtserlebnisse schildern. Das ist ein erster Schritt, das überhaupt anzunehmen, es nicht zu verdrängen und zu verstehen, wie es dazu gekommen ist. Dass sie nicht schuld sind, an den Umständen, unter denen sie ihr Kind bekommen haben.

Und die Umstände wollen Sie ändern?

Ja, das, was mir möglich ist, will ich tun. Alles andere wäre doch deprimierend.

Und wo wollen Sie anfangen?

Wir wollen in Bremen einen Verein gründen, ähnlich dem, in dem ich in Berlin mitgearbeitet habe. Dort haben wir viel über Geburtsprozesse informiert, auch in Schulen. Da ging es aber in erster Linie um Körpergefühl und Eigenverantwortung.

Es gibt viel Unkenntnis darüber, was Geburten behindert. Immer wieder berichten Frauen darüber, dass etwa ein Kindskopf zu groß war und ein Dammschnitt oder ein Kaiserschnitt gemacht werden musste.

Ja, den Eindruck habe ich auch. Uns geht es aber um mehr als Aufklärung. Wir wollen positive Vorbilder zeigen und ein Netzwerk aufbauen, wo sich Frauen austauschen können. Zum Beispiel könnte dort eine Frau, die Zwillinge erwartet, mit einer Mutter sprechen, die ihre Zwillinge spontan geboren hat.

In Bremen gibt es bereits ein Bündnis zur Förderung der natürlichen Geburt.

Das wendet sich aber an ein Fachpublikum.

Viele Organisationen, die sich wie Sie dem Thema verschrieben haben, erwecken den Eindruck, dass nur eine Geburt zu Hause oder im Geburtshaus eine gute Geburt ist.

Das lerne ich auch gerade, dass ich die Leute dort abholen muss, wo sie stehen. Dennoch finde ich es wichtig, über das Thema zu sprechen und nicht so zu tun, als wäre alles in Ordnung in Kliniken. Interview:eib

Filmvorführung „Freedom for Birth“, anschließend Diskussion: 20 Uhr, City 46, Birkenstraße 1