Schreien, Mobben, mit Sachen schmeißen

Ausbeutung Alle wollen Fachkräfte, niemand will sie ausbilden. Der DGB hat einen Report zur Qualität von Ausbildungen vorgestellt. Besonders schlimm ist es in der Gastronomie

Die Hälfte aller Auszubildenden in Bremen und Niedersachsen gehen auch zur Arbeit, wenn sie sich krank fühlen. Ebenso viele Azubis fühlen sich psychisch „stark belastet“ und klagen über Druck. Zu diesem Schluss kommt der „Ausbildungsreport 2016“ des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB).

Für die Studie befragte die Gewerkschaft 1.635 Azubis in den 16 häufigsten Ausbildungsberufen. Insbesondere Überstunden seien ein Problem: Über 31 Prozent aller Auszubildenden müssen im Schnitt 4,5 Stunden pro Woche mehr arbeiten, davon zehn Prozent ohne Ausgleich. Dazu fehle jeder dritten Stelle ein Ausbildungsplan. Anette Düring, Vorsitzende der DGB Region Bremen-Elbe-Weser, sagt: „Viele Auszubildende werden ausgelutscht und weggeworfen.“ In einigen Branchen litten junge Menschen zunehmend unter Burn-out. Das gelte insbesondere für das Hotel- und Gaststättengewerbe.

Der Bremer Philipp Thiessen, angehender Koch im dritten Lehrjahr, hat seinen Ausbildungsbetrieb gewechselt. Der 33-Jährige sagt: „In der Küche wurde geschrien, gemobbt und mit Sachen geschmissen.“ Als Thiessen einen Infekt hatte und sich deswegen krank melden wollte, hieß es: „Stell dich nicht so an, wasch dir halt öfter die Hände!“

In Schulwochen musste Thiessen nach dem Unterricht zusätzlich in der Küche arbeiten: „In einer Berufsschulwoche hatte ich 83 Überstunden“, sagt er. Seine Berufsschulkollegen erleben in der Gastronomie Ähnliches: Einer sei auf 1.200 Überstunden im ersten Lehrjahr gekommen. „Druck ist der Grund dafür, dass so viele abbrechen“, sagt Thiessen.

Die Zahlen der DGB bestätigen das. „Die Betriebe klagen über zu wenig Auszubildende, sorgen aber gleichzeitig dafür, dass niemand dort arbeiten will“, sagt Düring. Besonders schlimm ist es laut Gewerkschaft übrigens nicht in der großen Systemgastronomie, sondern in kleineren Küchen. Helfen könnte aus Sicht des DGB der Ausbau von Kontrollinstanzen in den Handwerkskammern: „Es gibt zu wenig Personal für Kontrollen.“ Bis einem Betrieb tatsächlich die Eignung zur Ausbildung abgesprochen werde, „gehen viele Azubis durch die Folterkammer“, sagt Düring.

Ähnlich schlimm seien die Bedingungen bei MalerInnen oder in der zahnmedizinischen Ausbildung. Auf Dauer geht Düring davon aus, das im Zuge des Image-Verlusts dieser Berufe noch weniger junge Menschen eine Ausbildung in diesen Branchen anstrebten.

Deutlich besser seien die Bedingungen in der Industriemechanik, Elektronik und im Bankwesen. Gareth Joswig