Orthopäde unter Missbrauchsverdacht

JUSTIZ In Braunschweig ermittelt die Staatsanwaltschaft in 44 Verdachtsfällen gegen einen Arzt. Der Vorwurf: Er soll Patientinnen während orthopädischer Behandlungen sexuell belästigt haben

Es ist ein schwerwiegender Vorwurf, dem die Staatsanwaltschaft Braunschweig derzeit nachgeht: Sie ermittelt in 44 Verdachtsfällen wegen sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses gegen einen Braunschweiger Arzt, wie Staatsanwaltschaftssprecher Klaus Ziehe gestern auf Nachfrage bestätigte.

Angestoßen haben das Verfahren zwei Strafanzeigen von Patientinnen aus dem Frühjahr. Der Orthopäde soll ihnen während Behandlungen die Brust abgetastet und sie unsittlich von hinten umarmt haben, so ihre Schilderungen. Staatsanwaltschaft und Polizei nahmen umfangreiche Ermittlungen auf. Bei einer Durchsuchung der Praxisräume stellten sie Patientendaten sicher und schrieben zunächst 150 Patientinnen aus den vergangenen drei Jahren an. Von diesen Frauen meldeten laut Staatsanwaltschaft zehn Prozent Auffälligkeiten während der Behandlungen.

Wegen der „relativ hohen Rücklaufquote“, wie Ziehe es nennt, wurden die Ermittlungen bis zur Verjährungsfrist von fünf Jahren ausgeweitet und weitere 600 Patientinnen aus den Jahren ab 2007 angeschrieben. Bislang ergaben sich daraus insgesamt 44 Verdachtsfälle, die derzeit „seriös geprüft werden“, so Staatsanwaltsprecher Ziehe.

Ein Abschluss des Verfahrens ist laut Ziehe derzeit noch nicht absehbar. Auch praktizieren darf der Orthopäde, der alle Vorwürfe abstreitet, weiterhin. Ein Berufsverbot darf nur ein Gericht verhängen, wenn eine Verurteilung vorliegt. Die Staatsanwaltschaft wiederum kann nur ein vorläufiges Verbot erteilen, wenn ein dringender Tatverdacht vorliegt oder eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass ein Gericht mit einer Verurteilung ein Berufsverbot aussprechen wird. Der bisherige Ermittlungsstand reiche dafür aber nicht aus, erklärt Ziehe.

Auf Anraten seiner Verteidiger halte sich der Arzt aber nur noch im Beisein weiterer Personen mit Patientinnen im Behandlungszimmer auf. Kommt es zu einer Anklage, drohen dem Orthopäden zwischen drei Monaten und fünf Jahren Haftstrafe – pro Einzelfall.  THA