Das Wohl des Kindes steht im Mittelpunkt

Familienrecht Adoption ist an strenge Vorgaben gebunden. Nicht alle potenziellen Eltern werden gleich behandelt. Interessenten müssen einiges beachten – und Zeit mitbringen

Verpartnerten homosexuellen Paaren steht nur der Weg der Sukzessivadoption offen Foto: Gordon Welters/laif

von Hannes Koch

Wirklich gerechnet hatte das Paar mit diesem Anruf nicht mehr. Schließlich war man etwas zu alt. Dann kam er doch: Wir haben jetzt ein Kind, erklärte die Mitarbeiterin der Adoptionsvermittlung. Bitte entscheiden Sie sich bis Ende der Woche, ob Sie es nehmen wollen. Wie laufen Adoptionsverfahren ab, und worauf muss man achten?

Das Paar, das den Anruf erhielt, war Mitte 40. Eigene Kinder konnten die beiden nicht bekommen. Deswegen hatten sie sich für den Weg der Adoption entschieden – allerdings etwas spät. Denn wer ein Kind annehmen möchte, muss mit einer jahrelangen Wartezeit rechnen. Und bei der Auswahl der Adoptiveltern legen die Vermittlungsstelle des Landes Berlin zugrunde, dass der Altersabstand zwischen Kind und neuen Eltern nicht mehr als 35 bis 40 Jahre betragen sollte. Ausnahmen bestätigen jedoch die Regel.

Das Mindestalter von Adoptiveltern ist gesetzlich festgeschrieben. Um fremde Kinder annehmen und aufziehen zu dürfen, muss man mindestens 25 Jahre alt sein. Bei verheirateten Paaren muss eine Person 25 sein, die andere mindestens 21. Die Adoption läuft immer über eine staatliche Vermittlungsstelle oder eine entsprechende Institution in freier Trägerschaft, etwa eine gemeinsame Einrichtung der evangelischen Diakonie und katholischen Caritas. Die Beschäftigten dort orientieren sich in erster Linie am Wohl des Kindes, das nicht bei seinen leiblichen Eltern aufwachsen kann. Sie suchen Adoptiveltern, die zum Kind passen – nicht umgekehrt.

Um die richtige Adoptivfamilie auszuwählen, führen die Mitarbeiterinnen der Vermittlungsstelle eingehende Gespräche. Sie besuchen die Bewerber auch zu Hause. Diese müssen belegen, dass sie in beruflich und finanziell soliden Verhältnissen leben. Ein polizeiliches Führungszeugnis muss beigebracht werden, das keine Vorstrafen enthält. Außerdem sollen sich die künftigen Erziehungspersonen schriftlich mit ihren Beweggründen für die Adoption auseinandersetzen.

Ein Kind zusammen adoptieren dürfen nur verheiratete Paare. Diese sollen zudem schon etwa zwei bis vier Jahre zusammengelebt haben, damit erwartbar ist, dass sie ihrem neuen Familienmitglied einen stabilen Rahmen bieten können. Bei unverheirateten Paaren hingegen darf offiziell nur eine Person das Kind annehmen. Und „die Annahme eines Kindes durch eine alleinstehende Person bedarf der besonders eingehenden Kindeswohlprüfung“, erläutert Ilja Koschembar, Sprecher der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft.

Verpartnerte homosexuelle Paare sind heterosexuellen Ehen noch nicht völlig gleichgestellt. Hier gibt es eine Sonderregelung, die sich „Sukzessivadoption“ nennt. Erst muss der eine Partner das Kind annehmen, dann der andere. Wie das praktisch abläuft, erklärt Kathrin Otto, Leiterin der Zentralen Adoptionsstelle Berlin-Brandenburg: „Beide Partner werden gleichzeitig auf ihre Eignung überprüft und stellen den Adoptionsantrag für das zweistufige Verfahren beim Notar.“ Aber erst wenn das Familiengericht zu der Überzeugung gelange, dass die Adoption durch den einen Partner dem Wohl des Kindes diene und dieser das Kind bereits adoptiert habe, könne das zweite Verfahren beginnen.

Stelle für Adoptionsvermittlung: Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft, Otto-Braun Str. 27, 10178 Berlin, (030) 9 02 27–65 28.

Gemeinsamer Adoptions- und Pflegekinderdienst: Caritasverband/Diakonisches Werk, Pfalzburger Str. 18, 10719 Berlin, (030) 86 09-2 22.

Die Beratungs- und Vermittlungsstellen bestärken die leiblichen Eltern darin, die Freigabe zur Adoption als eine verantwortungsvolle Entscheidung zum Wohle des Kindes zu betrachten. Wenngleich diese mit ihrer Einwilligung zur Adoption sämtliche Rechte und Pflichten in Bezug auf ihr Kind abgeben, können sie für seinen Lebensweg dennoch eine gewisse Rolle spielen. Legen sie beispielsweise fest, dass das Kind im Sinne ihrer Religion aufwachsen soll, so wird dieser Wunsch bei der Auswahl der Adoptiveltern berücksichtigt.

Außerdem wird bei Adoptionen mittlerweile meist das sogenannte halboffene Verfahren gewählt. Die leiblichen und Adoptiveltern haben dabei immer wieder gewissen Kontakt. Dieser dient dazu, den Lebensweg des Kindes möglichst gut zu begleiten. Zwar bleibt die gegenseitige Anonymität der abgebenden und annehmenden Eltern gewahrt, aber mithilfe der Vermittlungsstelle können beide Seiten Informationen austauschen.

Insgesamt sinkt die Zahl der Adoptionen. Wurden 1993 bundesweit 8.700 Kinder vermittelt, so waren es im vergangenen Jahr 3.800. Der wesentliche Grund dafür liege im Fortschritt der Reproduktionsmedizin, vermutet Monika Castronari vom Gemeinsamen Adoptions- und Kinderpflegedienst der Caritas und Diakonie. Weil manche Paare sich den Kinderwunsch dank neuer medizinischer Verfahren erfüllen könnten, bräuchten sie sich nicht um eine Adoption zu bemühen. Eine wichtige Rolle spielen auch bessere Beratungs- und Unterstützungsangebote, die es leiblichen Eltern in schwierigen Lagen ermöglichen, das eigene Kind zu behalten oder es nur zeitweise in eine Pflegefamilie zu geben.