: Invisible Borders
Eine Ausstellung zeichnet die Geografie der unsichtbaren Grenzen nach, die das Leben von Flüchtlingen einschränken
■ Ausstellung Invisible Borders
Bis zum 20. 12. im TU-Hauptgebäude, im Erdgeschoss bei der Cafeteria, Straße des 17. Juni 135
■ Veranstaltungsreihe
6. 12., 18 Uhr: „Unterbringungspolitik – Geflüchtete in Berlin“
13. 12., 18 Uhr, Rassismus auf den Grund gehen
20. 12., 18 Uhr, Finissage mit dem Film „Residenzpflicht“
Alle Veranstaltungen finden an der TU im Raum H111 statt.
■ Antirassistisch einkaufen
7. 12., 16 Uhr, Treffen im Asta der TU zur Fahrt nach Hennigsdorf
■ Im Netz: www.asta.tu-berlin.de
Die Kritik an der Asylpolitik reißt nicht ab. An der Technischen Universität Berlin (TU) widmet sich nun die Ausstellung „Invisible Borders“ dem Thema. Bis zum 20. Dezember kann man sich hier über die sogenannte Residenzpflicht informieren, die AsylbewerberInnen verbietet sich frei im Land zu bewegen. Begleitend zur Ausstellung lädt der Asta der TU an den kommenden drei Donnerstagen zu einer Veranstaltungsreihe ein. Dort soll über die Themen Lagerunterbringung, Critical Whiteness und Residenzpflicht diskutiert werden. Auch die Flüchtlingsproteste auf dem Pariser Platz und dem Oranienplatz gehen trotz Wintereinbruch weiter. An diesem Freitag wird zudem zu einem antirassistischen Einkauf aufgerufen.
„Es ist nicht hinnehmbar, dass nicht für alle Menschen in Deutschland die gleichen Rechte gelten“, sagt Annika von der Gruppe „Invisible Borders“. Konkret verlangen die AktivistInnen die Abschaffung der Residenzpflicht. Die Residenzpflicht gilt für Menschen, die auf die Bearbeitung ihres Asylantrages warten – was oft viele Jahre dauern kann –, und besagt, dass sie den Landkreis oder das Bundesland der für sie zuständigen Behörde nicht verlassen dürfen.
Die Residenzpflicht ist in der Europäischen Union einmalig und existiert nur in Deutschland. Wie der Informationsbroschüre der Invisible-Borders-Ausstellung zu entnehmen ist, geht die rechtliche Grundlage dafür auf die Ausländerpolizeiverordnung von 1938 zurück. Weiter heißt es in dem Heft, dass nach dem Sieg über die Nationalsozialisten die Verordnung abzüglich offensichtlich gesetzwidriger Passagen übernommen wurde und bis zur Einführung des Ausländergesetzes 1965 in Kraft geblieben war. Danach wurde die Regelung immer wieder modifiziert, seit 1982 wird der wiederholte Verstoß gegen die Residenzpflicht als Straftat geahndet.
Bis 2010 galt die Residenzpflicht in ganz Deutschland. Brandenburg, Berlin und Nordrhein-Westfalen waren die ersten Bundesländer, welche die Residenzpflicht lockerten und AsylbewerberInnen Reisefreiheit innerhalb der Landesgrenzen ermöglichten. Ende November 2012 hat auch Hessen die Residenzpflicht aufgehoben. Für die Gruppe Invisible Borders sind dies erste Schritte in die richtige Richtung. Die AktivistInnen verlangen eine Abschaffung der Residenzpflicht in ganz Deutschland. „Jeder soll sich in Deutschland frei bewegen dürfen“, sagt Annika von Invisible Borders. Der Adressat dieser Forderung ist klar: die Politik. Schließlich könne nur sie die Residenzpflicht aufheben. Damit aber in der Politik etwas geschieht, sei es notwendig zivilgesellschaftlichen Druck aufzubauen, betont Annika.
Und so geht es bei der Ausstellung „Invisible Borders“ darum, in der Bevölkerung ein umfassendes Bewusstsein für die Residenzpflicht und das damit verbundene Leid der Flüchtlinge zu schaffen. „Viele Menschen wissen nichts von der Residenzpflicht“, sagt Katja vom Asta der TU. Annika ergänzt: „Flüchtlinge werden kriminalisiert, sie sind Opfer rassistischer Gesetze.“ Kritisiert wird außerdem, dass AsylbewerberInnen nicht arbeiten dürfen. In vielen Bundesländern müssen sie in Sammelunterkünften wohnen und von Einkaufsgutscheinen oder Lebensmittelpaketen leben. Dem gesamten Themenkomplex wird sich in der Ausstellung auf verschiedene Weise genähert: Es gibt Modelle von Flüchtlingsheimen, Karten, Videos und Texte, welche die Situation von AsylbewerberInnen illustrieren. Eine schematische Abbildung visualisiert die komplexen verzweigten juristischen Wege, die im Asylverfahren zu bestehen sind und an deren Ende doch meist die Abschiebung droht. „Invisible Borders“ ist seit über einem Jahr auf Tour und gastierte u. a. in Dortmund, Heidelberg und Trier.
Der Asta der TU begleitet die Ausstellung mit einer Veranstaltungsreihe. Am heutigen Donnerstag wird über die Unterbringungspolitik von Geflüchteten in Berlin diskutiert und wie sich die Situation verbessern ließe. Am kommenden Donnerstag, den 14. Dezember, soll dem Begriff Rassismus auf den Grund gegangen werden. Es geht um den Begriff Critical Whiteness, der den Diskurs gehörig zuspitzt.
Praktisch wird es diesen Freitag, den 7. Dezember. Bei einem antirassistischen Einkauf in Hennigsdorf kann man sich mit den Flüchtlingen solidarisieren. Konkret sollen Essensmarken gegen Geld getauscht werden. „Dadurch können Flüchtlinge zumindest ein wenig selbstbestimmter einkaufen“, erläutert Katja. In vielen Landkreisen bekommen Flüchtlinge statt Bargeld Einkaufsgutscheine ausgehändigt, die meist in nur wenigen Geschäften einlösbar sind.
Besondere Aufmerksamkeit dürfte die Ausstellung durch die parallel stattfindenden Proteste der streikenden Flüchtlinge erfahren. Mit Tafeln wird in der TU darauf verwiesen. Seit Anfang Oktober steht ein Protestcamp auf dem Oranienplatz in Kreuzberg. Von hier aus zogen die Flüchtlinge zum Brandenburger Tor, wo sie mit einem Hungerstreik für ihre Rechte demonstrierten. Wie eine Camp-Aktivistin mitteilte, werden auf dem Oranienplatz sowohl UnterstützerInnen benötigt, die Arbeitsschichten übernehmen wollen, als auch Materialien wie Brennholz und Isolierstoffe für die Zelte. Wer zur Weihnachtszeit etwas für seine Mitmenschen tun möchte, findet hier eine Alternative zum Kaufrauschen in der Shoppingmall. LUKAS DUBRO
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen