Nah wie nie, doch die Uhren ticken anders

Zypern Ab Montag verhandeln in der Schweiz Inselgriechen und -türken über ein gemeinsames Land

BERLIN taz | Nie waren griechische und türkische Zyprer weiter voneinander entfernt – zumindest wenn es um die Zeit geht. Seit acht Tagen gehen die Uhren im türkischen Norden der Insel um eine Stunde voraus, weil das Land wie die Türkei die Umstellung auf die europäische Winterzeit verweigert. Nikosia hat nun das zweifelhafte Privileg, nicht nur die letzte geteilte Hauptstadt der Welt zu sein, sondern auch noch in zwei Zeitzonen zu liegen.

Nie waren griechische und türkische Zyprer andererseits so nahe an einer Einigung über das Ende der Teilung. „Wir sind weiter gekommen als je zuvor“, sagte der UN-Vertreter auf Zypern, Espen Barth. Am Montag beginnen im schweizerischen Mont Pelerin fünftägige Gespräche zwischen dem Vertreter der griechisch geprägten Republik Zypern, Nikos Anastasiades, und Mustafa Akıncıaus der nur von Ankara anerkannten Türkischen Republik Nordzypern. Ihr Ziel: die Gründung eines Bundesstaats unter dem Dach der EU.

In der Schweiz werden die kontroversen Themen der Gebietsansprüche, aber wohl auch Sicherheitsaspekte verhandelt. Die Meinungsunterschiede sind groß. Während Anastasiades besonderen Wert auf die Rückkehr von 100.000 griechischen Vertriebenen legt, betont Akıncıdie Sicherheitsaspekte für die türkische Minderheit.

Dabei ist unstrittig, dass die türkische Seite einen Teil ihres 1974 von türkischen Truppen eroberten Gebiets an die Zyperngriechen abgeben muss. Doch Anastasiades wünscht die Rückgabe der dicht besiedelten Region um Morphou, Akıncıplant dagegen die Abgabe der dünn besiedelten Karpas-Region. Eine Einigung bei der Territorialfrage erscheint aber möglich.

Viel schwieriger dürften die Sicherheitsaspekte zu lösen sein, zumal die Türkei dort ein gewichtiges Wort mitzureden hat. Im Norden sind mehrere Zehntausend türkische Soldaten stationiert. Die zyperngriechische Seite verlangt den Abzug dieser Truppen und lehnt Garantierechte der Türkei ab.

„Keine Garantien, keine Truppen“, das werde man als Diskussionsgrundlage nicht akzeptieren, sagte dazu Akıncı. Diplomatischen Kreisen zufolge besteht Ankara auf einer fortgesetzten Präsenz türkischer Truppen. Akıncı, dessen Regierung wirtschaftlich stark von der Türkei abhängig ist, habe sich diese Position zu eigen gemacht, heißt es nach diesen Informationen.

Eine dauerhafte Stationierung von Militärs des „Erzfeindes“ Türkei gilt unter den griechischen Zyprern als nicht durchsetzbar. Sollte Ankara auf seiner Militärpräsenz in Nordzypern bestehen, sind die Aussichten für eine Friedenslösung schlechter, als es derzeit den Anschein hat. Klaus Hillenbrand