THEATER

TheaterEsther Slevogtbetrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

Sieben Jahre lang ermordeten die Mitglieder des Nationalsozialistischen Untergrunds unerkannt überall in Deutschland mit derselben Schusswaffe unbescholtene Menschen, während Polizei und Presse die Mordserie nur durch die rassistische Brille sah und kurzerhand mit „Döner-Morde“ überschrieb, Täter wie Opfer im Milieu der Drogenmafia verortete. Die Angehörigen der Ermordeten – meist Einwanderer, die sich als Blumen- oder Gemüsehändler, Änderungsschneider oder Schlüsseldienst­inhaber eine Existenz aufgebaut hatten – waren sofort als Tatverdächtige klassifiziert. Es folgten jahrelange Schikanen der Ermittlungsbehörden, Ausgrenzung und Kriminalisierung. Das änderte sich erst, als im November 2011 die Zwickauer Terrorzelle mit dem Suizid von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sowie der Verhaftung der überlebenden Beate Zschäpe bekannt wurde. Das ist ziemlich genau fünf Jahre her. Das Theaternetzwerk Bühne für Menschenrechte (mit den Asylmonologen bekannt geworden), lässt in seiner neuen Produktion nun einige der Betroffenen zu Wort kommen. Die Texte von Michael Ruf entstanden auf der Basis von Interviews und werden von Schauspieler*innen gesprochen und gespielt. Heraus kommen die „NSU-Monologe“ (Heimathafen, Premiere 3. 11. (in deutscher Sprache) und 5. 11. (in türkischer Sprache), jeweils 20 Uhr).

Den steinigen Weg von Neuberlinern Richtung Existenz und Broterwerb hat der Regisseur Anestis Azaz in seinem neuen Stück „Bloody, medium oder durch“ genauer unter die Lupe genommen und zwar anhand von Leuten, die im Schweiße ihres Angesichts für Niedriglöhne in Restaurantküchen arbeiten. Azaz, der in Berlin einmal Regieassistent von Dimiter Gotscheff war und in Griechenland schon an so renommierten Theatern wie dem Nationaltheater gearbeitet hat, unternimmt eine semidokumentarische Theaterreise durch unterschiedlichste Restaurantkategorien und will daraus ein Bild zu Migration, Arbeitsbedingungen und europäischer Krise destillieren (Ballhaus Naunynstraße: „Bloody, medium oder durch“, Uraufführung: 8. 11., 20 Uhr).

In der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, wo diese Spielzeit dem großen Abschied von der Intendanz Castorf gewidmet ist, gibt es ein Videoscreening der (2007 aufgenommenen) Dernière einer legendären Inszenierung der Castorf-Frühzeit: nämlich Christoph Marthalers Inszenierung „Murx den Europäer! Murx ihn! Murx ihn! Murx ihn! Murx ihn ab!“ von 1993. (Volksbühne: „Murx den Europäer! Murx ihn! Murx ihn! Murx ihn! Murx ihn ab!“, Videoscreening 6. 11., 20.30 Uhr, Eintritt frei).