: Anerkennung hat viele Facetten
Petition der Woche Unterstützergruppen fordern, dass den drei „Helden von Leipzig“ das Bundesverdienstkreuz verliehen wird
Das Problem: Politiker zieren sich, den Flüchtlingen, die den Syrer Al-Bakr überführten, zu danken.
Das wollen die Initiatoren: Ein Bundesverdienstkreuz für die drei Geflüchteten und eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis.
Das wollen sie nicht: leere Dankesphrasen
Das wollen sie eigentlich: Ein positives Beispiel für Sachsen. Nicht nur Pegida und AfD sind im Land groß, sondern auch die Zivilcourage.
von Ann Esswein
Ein Adler in einem rot emaillierten Kreuz, etwa 100 Gramm schwer, seit seiner Einführung 254.000-mal verliehen und derzeit für alle, die es nicht haben, auf Ebay für 25 Euro zu erwerben: das Bundesverdienstkreuz – die höchste Auszeichnung, die man in Deutschland bekommen kann. Geht es nach den Initiatoren und Initiatorinnen der Flüchtlingsinitiative „Willkommensgrüße“, soll das Bundesverdienstkreuz den „Helden von Leipzig“ verliehen werden. Als solche bezeichnete die Boulevardpresse die drei syrischen Männer, die den Terroristen Dschaber al-Bakr, der bei ihnen Unterschlupf gesucht hatte, fesselten und der Polizei übergaben.
Was war passiert in Chemnitz und Leipzig im Vorfeld? Die Polizei hatte am 6. Oktober vom Geheimdienst Informationen erhalten, dass ein IS-Terroranschlag geplant sei und al-Bakr der Kopf der Terrorgruppe sei. Die Polizei observierte ihn. Weil sie die Situation als gefährlich einstufte, plante sie am 8. Oktober den Zugriff auf die observierte Wohnung in Chemnitz, wo er sich aufhielt. Kurz vor dem Polizeieinsatz verließ ein Mann, vermutlich al-Bakr, fluchtartig die Wohnung zu Fuß. Die Polizei gab einen Warnschuss ab, konnte ihn aber, da ihre Ausrüstung angeblich zu hinderlich war, nicht verfolgen. In der Wohnung fand sie jede Menge Sprengstoff. Al-Bakr taucht später am Tag am Bahnhof in Leipzig auf und spricht Syrer an auf der Suche nach einem Schlafplatz. Ein Landsmann nimmt ihn mit in seine Wohnung, wo weitere Syrer leben. Am nächsten Tag endlich ist der Fahndungsaufruf auch auf Arabisch veröffentlicht, und die Flüchtlingscommunity teilt ihn in ihren sozialen Netzwerken. Die Gastgeber von al-Bakr begreifen, wem sie da Zuflucht geboten haben, fesseln ihn in der Nacht auf den 10. Oktober, als er schläft, und übergeben ihn der Polizei. Alles noch einmal gut gegangen, ist der Tenor, der sich in den folgenden Tagen durch die deutschen Medien zieht.
In seiner Rede kurz nach dem Vorfall verliert der sächsische Innenminister Markus Ulbig kein Wort der Anerkennung für die drei jungen Männer. Und auch Innenminister Maizière muss erst dazu aufgefordert werden, sich bei den Geflüchteten zu bedanken. Reiner Wendt, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DpolG), wiederum sagt auf Focus Online, dass den drei Männer natürlich Lob gebühre, aber dass wir so etwas auch erwarten dürften, schließlich gewährten wir diesen Menschen doch Schutz. In der Zwischenzeit werden die Geflüchteten selbst verhört.
Flüchtlingsinitiativen in Sachsen sind empört: Was wäre passiert, wenn der Hinweisgeber ein Deutscher gewesen wäre?, fragen sie und initiieren über www.change.org eine Petition, in der sie das Bundesverdienstkreuz für die Geflüchteten fordern. Als Vorbild nennen sie den Fall Lassana Bathily. Dieser Flüchtling aus Mali hatte während der Geiselnahme in einem jüdischen Supermarkt in Paris 2015 mehrere Menschen gerettet. Als Dank bekam er die französische Staatsbürgerschaft, von Ministerpräsident Manuel Valls persönlich überreicht.
Dass den drei Syrern Anerkennung gebührt, finden mittlerweile mehr als 28.000 Menschen. Sie unterstützen die Onlinepetition, wenngleich die Verleihung anonym geschehen muss. Die Identität der drei Männer muss gewahrt bleiben aus Schutz vor Vergeltungsanschlägen. Für die Flüchtlingshelfer mögen die Geflüchteten die „neuen Helden von Leipzig“ sein, für den IS sind sie Verräter.
„Wenn die Petition nicht erfolgreich sein sollte, haben wir trotzdem erreicht, dass diesem Thema mehr Beachtung zuteil wurde“, betont einer der Initiatoren. Durch sie wird das Thema, das vielleicht schon längst unter den Teppich gekehrt worden wäre, weiter in der öffentlichen Debatte gehalten. Auf Change.org betont eine Unterstützerin die Bedeutung so: Gerade in Sachsen sei es wichtig, ein Zeichen zu setzen.
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