Unternehmer baut Zaun in Schwerte: Nato-Draht gegen Flüchtlinge
Flüchtlinge betreten für besseren Internetempfang wiederholt ein Grundstück neben ihrer Unterkunft. Der Eigentümer stellt daraufhin Nato-Draht auf.
WLAN hat die städtische Flüchtlingsunterkunft in einem ehemaligen Getränkemarkt mitten im einsamsten Industriegebiet Schwertes nicht. Deshalb waren einige der zwei Dutzend jungen Männer für den Empfang wiederholt wenige Schritte neben ihre Unterkunft getreten. Zwei syrische Brüder zum Beispiel konnte von dort jeden Abend über ihr Handy erfahren, ob ihre Eltern in Aleppo noch leben. Bis vor ein paar Tagen hinderte sie kein Zaun, kein Schild daran.
Dem hat Rolf Siegel, Mitgeschäftsführer des Stahlunternehmens Hesse, über Nacht nicht nur einen Riegel, sondern eine ganze Konstruktion entgegengesetzt. Mit überkreuz verschweißten, scharfkantig abgesägten Profilstahlblechen aus seinem Unternehmen und zwei abgewickelten Rollen angeblich frei käuflichem Nato-Draht auf Hüfthöhe hat Siegel ein „Mahnmal der Unmenschlichkeit“ gebastelt und gut sichtbar aufgestellt. „Mahnmal“ nennen es die ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer. Das Grundstück wäre nämlich auch jetzt immer noch leicht betretbar, das stachelige Grenzbauwerk reicht nur über gut fünf Meter parallel zum Hinterhof der Unterkunft. Der eigentliche Fabrikhof ist noch viele Meter entfernt.
Unangebracht und gefährlich findet Schwertes Stadtverwaltung den ungenehmigten Drahtverhau mit den scharfen Klingen: „Die Stadt betreibt ein Ordnungsverfahren“, sagt Jutta Pentling aus dem Büro des Bürgermeisters. „Wir haben sofort, als das entsetzliche Ding stand, angeboten, auf unsere Kosten einen Zaun aufzustellen – aber Herr Siegel hat das Gespräch brüsk abgebrochen.“ Dem Unternehmer droht jetzt die Stadt. Wenn der Drahtverhau nicht verschwindet, wird ihn vermutlich die Stadt abreißen.
Die Stadt Schwerte ist stolz auf das ehrenamtliches Engagement der 48.000-Einwohner-Stadt. In Turnhallen wohnt in Schwerte längst kein Geflüchteter mehr, über 500 Bewohner haben eine Patenschaft für die Flüchtlinge übernommen oder engagieren sich als sogenannte Kümmerer. Für überregionale Schlagzeilen sorgte jedoch nicht das Engagement der Stadt: Als vor einem Jahr in aller Eile eine ehemalige KZ-Baracke in einem Außenlager des KZ Buchenwald in Schwerte für Flüchtlinge umgebaut wurde, hagelte es Proteste aus der ganzen Welt.
Die Polizei fährt im Industriegebiet jetzt Streife, denn aus der ganzen Region pilgern Nazis und AfD-Anhänger zum Nato-Draht. Die Gesellschafter des Stahlunternehmens sollen jetzt auf das Treiben ihres Geschäftsführers angesprochen werden. Das Gebäude für die Flüchtlingsunterkunft hatte die Stadt vor Monaten von besagtem Unternehmen gekauft. Rolf Siegel hatte zuvor Eigentumswohnungen bauen wollen, die Stadt mochte Wohnen im Industriegebiet aber nicht erlauben. Nun wohnen aber doch Menschen dort, wenn auch notgedrungen. Vielleicht geht es darum? Rolf Siegel reagiert auf Telefonanrufe extrem kurz angebunden: „Mit Journalisten spreche ich grundsätzlich nicht.“
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