So hemmungslos

Konzert Rassismuskritik und gute Laune: die US-amerikanische Afrolatina Xenia Rubinos in der Berghain Kantine

Am Samstagabend begeistert Xenia Rubinos in der Berghain Kantine das Publikum, welches im Durchschnitt etwas älter ist als die 31-jährige Sängerin aus Brooklyn. Mit ihren drei Musikerkollegen, die in gemütlichen Flanellhemden auf die Bühne kommen, fällt Rubinos sofort mit einem 70er-Jahre-Outfit aus schwarzem Jumpsuit, Leoparden-Jäckchen und einer extragroßen Sonnenbrille auf. Außerdem tanzt sie, als wäre die Bühne ihre Wohnung, in der sie keiner beobachten kann.

So hemmungslos wie ihre Bewegungen sind auch die Musikideen, die in ihren Songs aufeinandertreffen. Ihre Lieder überraschen durch mehrschichtige, unabhängige Rhythmus-Spiele, ihrer souligen Stimme darüber und einem akzentuierenden Schlagzeug, das irgendwie immer gegen alle anderen Ströme im Lied anspielt. Je mehr man auf die einzelnen Instrumentenspuren achtet, desto verblüffender ist es eigentlich, dass die Zusammensetzung wirklich Sinn ergibt.

Live funktionieren die Stücke am Abend so gut, weil man die Verbindung zwischen den Musikern schon allein in ihren Gesten und Blicken beobachten kann. Besonders bei Rubinos und dem Schlagzeuger Marco Buccelli, mit dem sie schon lange arbeitet und das neue, im Juni erschienene Album „Black Terry Cat“ geschrieben hat, stimmen die Chemie und der Spaßfaktor. So beginnt das eineinhalb Stunden lange Set in der gut gefüllten Location mit dem Song „Lonely Lover“. Der jazzige Hit gibt einen Vorgeschmack auf die starke Stimme der Sängerin, mit der sie im Laufe des Konzerts immer mehr improvisieren wird. Aber auch Rubinos’ strahlende Aura überträgt sich sofort auf die Menge.

Im zweiten Song „Just like I“, einer weiteren Nummer des neuen Albums, tanzen die ersten Reihen schon so ausgiebig, dass Rubinos sich ihnen anschließt und einfach von der Bühne in die Menge springt. Während des Abends steht sie oft hinter dem Keyboard, was ihre Tanzbewegungen aber nicht weniger werden lässt.

Xenia Rubinos beeindruckt durch ihre Energie und ihre Stimme, die sie wie eine weitere Klangfarbe einsetzt. Auch wenn man darin ihren Respekt für Jazz Sängerinnen wie Billy Holiday oder R&B-Größen der 90er Jahre wie Mariah Carey zu hören vermag, kann man Rubinos’ Musik in kein Genre einordnen.

Die Afrolatina mit Wurzeln in Puerto Rico und Kuba lässt durch ihre bunten Songs, in denen Samples, Electro-Drums, Keyboards und eine E-Gitarre einen großen Part spielen, wirklich jeden Ansatz scheitern, ihre Musik in eine Schublade zu ­packen. Die Songtexte zu verstehen ist aber auch wichtiger, als sich während des Konzerts im Aufschnappen von verschiedenen Musikstilen wie HipHop, Jazz, Rock und Soul zu verlieren. Denn hier bemerkt man, dass hinter der starken Stimme auch eine starke Frau steckt.

Mit Zeilen wie „Brown has not, Brown gets shot“ rappt sie über den immerwährenden Rassismus gegenüber Latinos in den USA. Auch in „I won’t say“ fragt sie mit erhobener Stimme „Whose face is too black?, Whose nose is too big?“, gestikuliert verdeutlichend und lässt ihrer Frustration über gesellschaftliche Schönheitsstandards freien Lauf.

Wenn sie im späteren Song „Laugh Clown“ beschreibt, dass sie sich manchmal wie ein Clown fühlt, der zum Lachen gezwungen wird, dann transportiert ihr Gesang etwas Tragisches. Spätestens nach der Zugabe ist jedoch sicher, dass sie für niemanden hier ein Clown ist. Sie ist eine Queen – laut Songtext fühlt sie sich zwarnur punktuell so, nach diesem Auftritt ist sie es für das Pu­blikum aber definitiv.

Lorina Speder