Verstehen Sie Martin Schulz?
Ein kurzer Karrierecheck

SPD Der EU-Parlamentspräsident wird als SPD-Kanzlerkandidat gehandelt. Hat er Chancen?

BERLIN taz | Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) wird deutlich, welchen Sozialdemokraten er für den besten Kanzlerkandidaten hält. „Sicher!“ sei Martin Schulz geeignet, sagte Weil der Welt. „Er hat die große Gabe, Leute zu begeistern.“ Vielen in der SPD geht es ähnlich, sie sähen Schulz gerne vorne im Bundestagswahlkampf 2017. Höchste Zeit für den Karrierecheck der taz.

Wäre Schulz ein guter SPD-Kanzlerkandidat?

Schulz, im Moment Präsident des EU-Parlaments, ist überzeugter Europäer, ein sehr guter Redner und engagierter Wahlkämpfer. Der machtbewusste 60-Jährige besitzt Rampensauqualitäten, die in einem Wahlkampf hilfreich wären. Schulz ist in der SPD auch so beliebt, weil er Wärme ausstrahlt. Er war mal Bürgermeister der NRW-Kleinstadt Würselen. Die Fähigkeit, authentisch auf Menschen zuzugehen, hat er sich bewahrt.

Okay. Und seine Schwächen?

Schulz ist vielleicht in Brüssel eine große Nummer, aber in Deutschland kennt ihn der Normalowähler nicht. Er wäre im Vergleich zu Angela Merkel ein No-Name. Dieser Nachteil ließe sich auch durch die wachsende Bekanntheit nach einer SPD-Nominierung nicht kompensieren.

SPD-Kanzlerkandidat ist ja nicht wirklich ein toller Job. Will Schulz ihn überhaupt?

Gute Frage. Schulz’erste Priorität ist eine Verlängerung seines Amtes als EU-Parlamentspräsident. Eine Verabredung mit den europäischen Konservativen sieht aber vor, dass er den Job nach der halben Amtszeit abgibt. Schulz kämpft mit aller Macht dafür, bleiben zu dürfen – und hat wichtige Verbündete wie EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.

Wie passt das zu einer Karriere in der deutschen SPD?

Wie gesagt, die Verlängerung in Brüssel steht auf der Kippe. Schulz hält sich daher den Einstieg in Berlin offen. Wenn die SPD ihn bitten würde und die Brüsseler Aussichten trübe wären, würde er gerne kommen.

Aber will nicht SPD-Chef Sigmar Gabriel Kanzler werden?

Das weiß im Moment nur Gabriel selbst – und vielleicht nicht mal der. Gabriel hat als Parteichef den ersten Zugriff, das bestreitet in der SPD niemand. Schulz käme nur dann ins Spiel, wenn Gabriel zurückzöge, etwa weil er sich zu geringe Chancen ausrechnet. Hinzu kommt: Schulz ist mit Gabriel befreundet, er würde nichts gegen Gabriel unternehmen. Allerdings soll er ihm laut Spiegel signalisiert haben, die Kandidatur nur zu übernehmen, wenn er auch Parteichef würde. Käme Schulz, wäre Gabriel also komplett aus dem Spiel – das dürfte ihm nicht schmecken. Ulrich Schulte