Ernährung

Die Öko-Branche zieht Konsequenzen aus Tierquälerskandalen in Bio-Ställen. Jetzt soll es mehr um die Gesundheit des Viehs gehen

Demeter will weniger, aber genauer kontrollieren

Neuerung Deutschlands drittgrößter Bioverband setzt in Zukunft mehr auf risikoorientierte Kontrollen bei der Tiergesundheit. Die bisherige Praxis der flächendeckenden Überprüfung sei teuer und aufwendig. Nun sollen nur noch Spezialisten eingesetzt werden

Vorschriften: Die EU schreibt für Biotiere – anders als für konventionelle – einen Zugang ins Freie und mehr Platz im Stall vor. Schnabel- oder Schwanzteile dürfen nicht amputiert werden. Die Tiere müssen fast ausschließlich Futter aus ökologischer Landwirtschaft erhalten.

Gesundheit: Trotz der besseren Bedingungen sind Biotiere im Schnitt nicht gesünder – von Ausnahmen abgesehen. Das stellten die Verbraucherorganisation Foodwatch und der Öko-Tierhaltungforscher Albert Sundrum von der Universität Kassel/Witzenhausen fest. Bei Milchkühen etwa fanden sie ähnlich hohe Raten von Euterentzündungen.

Skandale: 2013 veröffentlichten Tierrechtler Bilder von Bio-Hennen, die kaum noch Federn hatten. Vor Kurzem geriet ein Öko-Schweinehalter in die Kritik, weil er Sauen zeitweise in engen Kastenständen hielt sowie Antibiotika einsetzte, welche die Richtlinien seines Bio-Verbandes verbieten. (jma)

BERLIN taz | Der Bioverband Demeter will die Kontrollen auf seinen Mitgliedsbetrieben künftig ändern. Ab Januar soll der Gesundheitszustand von Tieren dort nicht mehr jedes Jahr im Detail überprüft werden. „Aber die Betriebe, die wir kontrollieren, überprüfen wir sehr viel intensiver, als wir es bei einer flächendeckenden Kontrolle machen würden“, sagte Vorstandssprecher Alexander Gerber der taz. Demeter, der nach der Regeln der anthroposophischen Weltanschauung arbeitet, hatte die jährlichen „Tierwohl-Checks“ 2014 gemeinsam mit den anderen großen Bioverbänden eingeführt.

Nun sagt Demeter-Chef Gerber aber: „Wir werden Tierwohlkontrollen risikoorientiert auf einer begrenzten Anzahl von Betrieben durchführen. Dazu gehören alle mit Mängeln im Kontrolldurchgang der zwei Vorjahre, Bestände mit stark erhöhtem Risiko, beispielsweise mit mehr als 3.000 Legehennen, und eine geringe Anzahl von Betrieben ermittelt aus einer Kombination von Zufallsprinzip und von den Landesverbänden benannten Problembetrieben.“

Risikoorientiert statt flächendeckend

Im Gegenzug sollen die Kon­trollen gründlicher werden. „Wir werden mit weniger, dafür besonders geschulten Kontrolleuren arbeiten“, so Gerber. Wenn jeder Betrieb überprüft werden muss, könne Demeter nicht zu jedem einen Inspektor schicken, „der auch Experte in Tierwohlfragen ist“, ergänzt der Vorstandssprecher. Spezialisten könnten gezielter Probleme erkennen. „Unsere These ist, dass uns bei Demeter mit einer sehr guten risikoorientierten Kontrolle weniger Problembetriebe durchrutschen als mit einer Kontrolle, die im Qualitätsniveau nicht ganz so hoch ist.“

Allerdings: Es sei noch nicht entschieden, wie sich die Demeter-Kontrolleure von denen der anderen Verbände unterscheiden würden, sagte der Funktionär. Bioland etwa verlangt von Tierwohl-Kontrolleuren mindestens eine eintägige Schulung im Stall.

Sicher ist aber, dass das neue System für die meisten Betriebe weniger aufwendig und damit kostengünstiger ist. Bisher sind laut Gerber nur etwa 5 Prozent der rund 1.200 Demeter-Betriebe mit Vieh bei den Tierwohlkon­trollen negativ aufgefallen, meist durch „Kleinigkeiten“. „Das heißt aber auch im Umkehrschluss, dass wir 95 bis 98 Prozent der Betriebe umsonst kontrollieren“, so der Vorstandssprecher. „Und die Kontrollen belasten die Betriebe zusätzlich, sie verlängern die normale Öko-Kontrolle. Das kostet Geld, das wir jetzt in eine gezieltere Kontrolle stecken werden.“

Das Vertrauen der Verbraucher sichern

Fragt sich, warum Demeter nicht alle Kontrolleure so weiterbildet, dass sie gut genug in Sachen Tierwohl werden. „Wenn wir jetzt flächendeckend in eine Kontrolleursqualität investieren würden, wie wir sie gern hätten, wäre das unbezahlbar.“ Schon bisher zahle Demeter jährlich 40.000 bis 50.000 Euro für diese Inspektionen. „Das würde exponentiell steigen.“

Deutschlands größter Ökobauernverband, Bioland, dagegen hält an den ausführlichen Kontrollen in allen Betrieben fest. Es sei sinnvoll, dass die Inspektionen alle Tierhalter für das Thema Tierwohl sensibilisierten, sagt Pressesprecher Gerald Wehde.

Außerdem sicherten die flächendeckenden Kontrollen das Vertrauen der Verbraucher. Und Wehde führt auch ein politisches Argument an: Die Bioverbände würden sich ja bei der Reform der EU-Ökoverordnung gerade dafür einsetzen, dass die normalen Bio-Kontrollen flächendeckend und nicht risikoorientiert blieben. Jost Maurin