LeserInnenbriefe
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Ein Hoch auf die Wallonen

betr.: „Ins Ultimatum gerettet“, taz vom 24. 10. 16

Ich bedanke mich hiermit bei den Wallonen für ihr Veto beim Unterschreiben des Ceta-Abkommens mit Kanada. Wenn ich mit einem Versicherungsvertreter einen Vertrag aushandle, steht im Kleingedruckten: „Nebenabreden haben keine Gültigkeit beziehungsweise sind vom Versicherungsgeber schriftlich zu genehmigen.“ Genauso verhält es sich mit diesen Zusatzprotokollen, auf die Herr Gabriel und seine Mannen so stolz sind. Solange diese nicht von Kanada in den Freihandelsvertrag integriert sind, sind sie das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben sind.

Ich hoffe sehr, dass David gegen Goliath standhaft bleibt und somit der Demokratie und dem fairen Welthandel zum Sieg verhelfen kann. ANNEGRET VAYHINGER, Ludwigsburg

Bedrohte Art

betr.: „Ceta-Abkommen hängt weiter in der Luft,taz vom 21. 10. 16

Es gibt sie noch! In der Region Wallonie sind Exemplare der bedrohten Art „Sozialdemokraten in Parlamenten“ gesichtet worden. Sie fielen auf, weil sie sich durch ein deutliches „Nein“ zu erkennen geben. MARIANA MUNK, Hamburg

Grün ist nicht erkennbar

betr.: „Zwei grüne Parteien“, taz vom 20. 10. 16

Der Dosenpfand-Jürgen soll’s richten! Mal im Ernst: Grüne Politik, grüne Wirtschaft, grüne Optionen auf eine Zukunft: Wo und wie erkenne ich das als Wahlbürger? Richtig! Gar nicht. Fundamentale und reale Grünpositionen haben alle etablierten (und auch die nicht etablierten) Parteien im Programm. Auch wenn es manchmal nur „Greenwashing“ ist – klare grüne Positionen erkenne ich nicht mehr.

Der berühmte „Gang durch die Institutionen“ hat bei den Grünen Wirkung gezeitigt: Nützliche Komponenten wurden von anderen übernommen, schwierige Positionen wurden zu Außenseiterprogrammen, und harte Anforderungen an gesellschaftliche Rahmenbedingungen sind längst eliminiert. Auch die Grünen streben zur politischen Mitte, weil die Mitte und der Mittelweg scheinbar keine feste Positionierung abverlangen. Standard eben. Aber was ist, wenn der „Standard“ nur noch synthetisch vorzufinden ist und die Gesellschaft im praktischen Leben dank grüner Politik der 90er immer mehr „ausfranst“? Merken das nur noch der Gysi und vielleicht Ströbele?

Bei den Grünen reduziert sich alles auf die „Viererbande“, allesamt Berufspolitiker, von denen der Hofreiter noch am authentischsten wirkt. Wirkt, wohlgemerkt. Aber werden die Grünen dadurch wählbar für Grünwähler mit politischem Gewissen?

WOLFGANG SIEDLER, Langenhagen

Schwülstige Beschwörung

betr.: „Die eine Frage. Lieber Giovanni di Lorenzo“, taz vom 22. 10. 16

Lieber Peter Unfried, es steht öfter etliches Kluges in der taz, die Hegemonie-Replik zähle ich nur teilweise dazu. Ihr Text gibt mir die Anlässe: Das, was fehlt und wofür die Grünen vor allem in Baden-Württemberg neu gegründet werden müssten: die sozialökologische Transformation. Kompromiss ist eine Frage politischer Durchsetzbarkeit. In der Programmatik aber zählen klare Ziele, zum Vertrauen führt eine daran orientierte glaubwürdige Praxis – auch mit Kompromissen, die nicht an den Kern gehen. Ihr wiederholtes Lob der baden-württembergischen Grünen erscheint hier doch als Fehlurteil.

Ernsthaft: Was soll denn die schwülstige Beschwörung einer „Mehrheit des Vertrauens, die sich zur Bewahrung individualistischer (sic!) Freiheit auf ein politisches Miteinander einlässt“. Das ist mit sehr viel Wohlwollen höchstens ein geistig, politisch und rhetorisch missglücktes Plädoyer für eine plurale Gesellschaft. Leider aber vollkommen machtblind. Und: Es betrifft nicht den Kern der ökosozialen Herausforderung. Ihr Begriff von „Emanzipation“, reduziert auf „individualistische (sic!) Freiheit“, ist eine im Geiste (neo)liberale Erbsünde, grün dekoriert – und verträgt sich kaum mit dem Begriff „sozial“ in Ihrer als „ökosozial“ charakterisierten „gemeinsamen Basis“. Die gesellschaftliche Mehrheit – die „gemeinsame Basis“ – lebt (und viele in ihr leiden) unter einer anderen, viel praktischeren Hegemonie, nämlich der neoliberalen Diktatur mit ihrem goldenen Kalb der Wachstums­ideologie. In ihr wird das Vertrauen von Verbrauchern täglich durch Profitgier zerstört. Zerstört wird das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Wandelbarkeit und Zukunftsfähigkeit von Politik und ihre „Emanzipation“ von der Wirtschaftslobby. Freiheit für alle, die nicht in prekären Verhältnissen leben müssen, wird auf Konsumfreiheit reduziert. Für alle, die sozialökologische Verantwortung übernehmen wollen, wird Handlungsfreiheit im Namen des Wachstums frühzeitig beschnitten.

Suchen Sie doch einmal nach dem Begriff „Subsistenzwirtschaft“ in den Dokumenten der Landesregierung Baden-Württemberg – inklusive der Nachhaltigkeitsstrategie!

RAINER NOLTE, Bad Boll

Ein ungerechtes Gesetz

betr.: „Nicht gezahlt – Haftbefehl“, taz vom 19. 10. 16

Als Volljuristin kann ich nur feststellen, dass es kaum ein anderes Gesetz gibt, das so ungerecht ist. Genauso könnte man jeden Haushalt mit Kfz- oder Hundesteuern belegen, egal ob ein Pkw oder ein Hund vorhanden ist. Mit Gebührengerechtigkeit hat dies absolut nichts zu tun. SILKE BESTEK, Gelsenkirchen