Werder Bremer Fans fahren zu Red Bull Leipzig. Ein Affront? Nein, alles andere ist für sie inkonsequente Kapitalismuskritik
: Ultras boykottieren Boykott

„Konsequent wäre allgemeine Kapitalismuskritik, überall!“

Werder-Ultras

Werder Ultras fahren zum Auswärtsspiel zum RB Leipzig. Warum das eine Nachricht ist? Normalerweise boykottieren Auswärtsfahrer der „Traditionsklubs“ die Spiele gegen den „Retortenverein“. Der dient laut KritikerInnen lediglich den Werbezwecken des Energydrink-Herstellers Red Bull GmbH. Mangels echter Vereinsstruktur und sportlicher Leistungen in der Vergangenheit habe der Verein mit fairem sportlichem Wettbewerb und Fußballkultur weniger zu tun als mit Marketing und Kommerz.

Das sei nicht ganz falsch, sagen die Bremen-Ultras, allerdings zu kurz gedacht. Gleich vier Ultra-Gruppierungen von Werder Bremen boykottieren den Boykott. Zu ihrer Motivation haben sie ein „Kommuniqué“ herausgegeben: „Wir finden es falsch, uns auf sogenannte Retortenvereine oder Plastikclubs, welche nur die Spitze des Eisbergs markieren, einzuschießen.“

Nicht zuletzt die vereinsübergreifende „Nein zu RB“-Kampagne und ihr Boykott ließen außer Acht, dass „Fußball in einer kapitalistischen Gesellschaft logischerweise auf Profitmaximierung ausgerichtet ist – und das nicht nur in Leipzig, Hoffenheim oder Ingolstadt“. Die Kommerzialisierung des Fußballs habe bereits mit der Gründung der Bundesliga angefangen. Große „Traditionsvereine“ hätten sie vorangetrieben: etwa Eintracht Braunschweig, als er 1973 als erster auf dem Trikot warb, Borussia Dortmund, der als erster deutscher Verein 2000 an die Börse ging, und der Hamburger SV, der 2001 als erster seinen Stadionnamen verkaufte.

Zweifelhaft ist für die Werder-Ultras vor allem die Art der Kritik, welche völlig ausblende, wie der Fußball funktioniert: „Es gibt kein richtiges Leben im Falschen. Konsequent wäre also eine allgemeine Kritik am Kapitalismus, nicht nur bei RB, nicht nur im Fußball, sondern überall!“

Zumindest vier Ultra-Gruppen beteiligen sich am Boykott-Boykott: Infamous Youth, Caillera, L’Intesa Verde und UltrA-Team Bremen. Ob auch die Wanderers Bremen und HB Ultras nach Leipzig fahren, kann man am heutigen Samstag um 15.30 Uhr in Leipzigs Gästebereich sehen. gjo