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Kolonialismus-Ausstellung in BerlinAn der pädagogisch kurzen Leine

Das Deutsche Historische Museum arbeitet in einer Ausstellung den deutschen Kolonialismus auf. Meistens fehlen aber einordnende Bezüge.

Ein Bahndamm in Deutsch-Südwestafrika um 1910: Beim Bau der Eisenbahnstrecke starben 1.359 afrikanische Zwangsarbeiter Foto: Deutsches Historisches Museum

Das Thema ist brisant, die Beteiligten stehen spürbar unter Druck. Lange haben die deutschen Museen den deutschen Kolonialismus eher sträflich vernachlässigt. Die koloniale Phase der Deutschen schien relativ kurz, sie dauerte von 1884 bis 1919. Und sie schien wirtschaftlich relativ unbedeutend, blieb, finanziell betrachtet, ein Zuschussgeschäft. Mit Untergang des Kaiserreichs im Ersten Weltkrieg gingen die Kolonien 1919 wieder verloren. Und danach überragten die Verbrechen des Nationalsozialismus alles bislang Dagewesene.

Die Abgrenzung von NS-Regime und Holocaust wurde zu Recht zum Fixpunkt der deutschen Erinnerungspolitik nach 1945. Lange war das antifaschistische Grundverständnis in beiden Deutschlands institutionell durchgesetzt, aber gesellschaftlich umkämpft. Dennoch scheint es nur logisch und überfällig, dass man sich nun auch stärker der Vorphase des Nazismus zuwendet. Etwa Rassen- und Überlegenheitstheorien, wie sie sich im kolonialen Blick um 1900 manifestieren. Die Regierungen Deutschlands und Namibias verhandeln ja auch seit Langem um eine Entschädigung für den Völkermord an den Nama und Herero im früheren Deutsch-Südwestafrika.

In Berlin hat das Deutsche Historische Museum (DHM) nun eine große geschichtspädagogische Schau eröffnet, in der aus kolonialismuskritischer Perspektive rund 500 Objekte aus historischen Sammlungen gezeigt werden. Gleich zu Beginn der Schau erzählt das Gemälde „Kilimandscharo“ von Walter von Ruckteschell etwa vom exotistischen Begehren der europäischen Kolonialisten. Über dem dunklen, blau-grünen Dschungel thront der mächtige, schneebedeckte Berg im Osten Afrikas. Ruckteschell diente später bei den deutschen Kolonialtruppen als Adjutant unter Paul von Lettow-Vorbeck. Sein Jugendbuch „Heia Safari“ (1920) sollte in der Folge wesentlich zu einem positiv besetzten deutschen Kolonialmythos bis 1945 beitragen.

Die Kuratoren des DHM konfrontieren Ruckteschells Kilimandscharo-Bild mit einem hinter Glas ausgebreitetem Sammelsurium von Objekten aus dem Arbeitszimmer von Heinrich Schnee. Elfenbein, Dolche, Büsten oder Fächer. Schnee war der letzte Gouverneur Deutsch-Ostafrikas. In den Begleittexten an den Wänden wird darauf hingewiesen, dass Schnees Objekte für „die Aneignung fremder Kulturen“ und „ein Ordnen der Welt nach europäischem Maßstab“ stehe. Komme hier bloß niemand auf falsche Gedanken, das DHM führt die Besucher lieber an der pädagogisch kurzen Leine.

An anderer Stelle ein weiteres Objekt, ein übles Züchtigungsmittel, für afrikanischen Zwangsarbeiter: die Nilpferdpeitsche. An Schauwänden finden sich Postkarten und Schwarz-Weiß-Fotografien deutscher Kolonialisten: „Zum Besuch beim Häuptling“. Eine große Stelltafel dokumentiert Feldpostkarten deutscher Soldaten. Die „Grüße in die Heimat“ sind zumeist kaum zu entziffern.

Frau mit Schlange im Zoo

Die Schau präsentiert auch die Unterzeichnungsakte der Berliner Afrikakonferenz von 1885. Ein prominentes Dokument, mit dem die Kolonialbesitzungen des Deutschen Reiches in Afrika, China und der Südsee von den anderen europäischen Großmächten anerkannt wurden. Reichskanzler Bismarck hatte sich lange gegen die Errichtung der „Schutzgebiete“ gewehrt. Er wollte den internationalen Handel deutscher Firmen absichern, nicht aber in die Etablierung einer teuren Kolonialherrschaft investieren.

Die „Schutzgebiete“ mit ihrer Ausweitung deutscher Siedlungs- und Militärtätigkeit brachten auch ein Problem für deutsches Reinheits und Überlegenheitsgefühl mit sich: Sex, Liebe und „Rassenmischung“. Die wilhelminische Kolonialverwaltung erließ von daher entsprechende Gesetze zur Segregation. Doch wie die Schau zeigt: Die Beziehungen ließen sich nicht komplett unterbinden. Nachkommen aus diesen Linien gibt es auch heute noch.

Eine Einordnung des deutschen Kolonialismus in den europäischen Kontext unterbleibt

Galten Afrikaner im alten Europa eher als kindlich – man musste sie missionieren und erziehen –, so zeigt ein erhaltenes Plakat von der Berliner Ausstellung „Samoa. Unsere neuen Landsleute“ im Zoologischen (!) Garten 1900/1901 eine lasziv lockende Südseefrau. Eine grüne Schlange windet sich um ihren nackten, braunen Oberkörper. So stellte ein schwärmerischer Kolonialist die Verbindung zwischen Mensch, Natur und patriarchaler Schöpfungsgeschichte her.

Andere Aspekte der Ausstellung sind dem afrikanischen und dem chinesischen Widerstand gegen den deutschen Kolonialismus gewidmet. Allerdings fehlen zumeist einordnende historische Bezüge, etwa welche Herrschaftssysteme und Rivalitäten in den Gebieten vor der deutschen Kolonialisierung existierten oder warum einige einheimische Gruppen sich mit den Kolonialisten verbündeten und andere nicht. Unverständlich auch, warum eine Einordnung des deutschen Kolonialismus in den europäischen Kontext unterbleibt.

Moralisierende Kuratoren

Die Schau im DHM erinnert selbstverständlich an den Völkermord an den Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika. Doch in welchem Verhältnis stand dieser zur Rassen- und Vernichtungspolitik der Nazis? Fragen über Fragen. Die Kölner Namibia-Schau von 2004 war da in sich bereits wesentlich konsistenter.

Stattdessen moralisieren die Kuratoren des DHM in ihren Positionen etwas zu stark. Am Ende mündet die Schau noch in dürre Behauptungen über eine angebliche Kontinuität kolonialer Herrschaft bis ins Heute. Will man sich etwa so leichthin gegen eine zu erwartende Kritik gewisser Gruppen aus dem identitären Lager wappnen, die gerade landauf, landab röstfrisch „Weißbrote“ verspeisen?

Die Berliner Kolonialismusausstellung zeigt, mit welcher Unbekümmertheit der überlegene deutsche (ja: weiße!) Mann seine Lanzenfahne in den afrikanischen oder südostasiatischen Boden rammte und die Länder in Besitz nahm. Doch die dahintersteckenden Mythen knackt sie nicht.

Eine Prunkvase mit dem Porträt Kaiser Wilhelms II. trägt auf dem Deckel die Inschrift „Suum Cuique“ („Jedem das Seine“). Die kitschige Rokokovase wurde 1891 anlässlich der Unterzeichnung des Helgoland-Sansibar-Vertrags angefertigt. „Jedem das Seine.“ Hat es und was hat es zu bedeuten, wenn gerade in einer anderen Berliner Schau („Der britische Blick“) im Gropius-Bau die historische Tür zum KZ Buchenwald mit selbiger Inschrift zu betrachten ist? Beim British Museum und den Büchern Neil MacGregors könnte sich das DHM noch einiges abschauen, wie sich Geschichte anhand von Objekten komplex und zugleich anschaulich erzählen ließe.

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Gegen Ende der Schau fällt noch ein „antikoloniales“ Solidaritätsplakat aus der DDR von 1961 ins Auge. Schlagzeile: „Ministerpräsident Patrice Lumumba ermordet“. Unterzeile: „Seine Mörder sitzen auch in Bonn.“

In diesem DDR-Plakat manifestiert sich eine bis 1989 vorherrschende Kolonialismuskritik der antiimperialistischen Linken in Ost – und West. Die BRD hatte nichts mit der Ermordung Lumumbas, des ersten Premiers des unabhängigen Kongo, zu tun. Doch wer „den“ Kapitalismus schlichtweg als Mörder sieht, die oder den ficht das alles nicht. Eine schlichte Denkweise, die sich hoffentlich nicht auf den heutigen Antirassismus überträgt.

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4 Kommentare

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  • Ihr Kommentar zum deutschen Kolonialismus ist falsch.

    Zweifelsfrei wurde Lumumba durch Tschombe im Auftrag der Belgier liquidiert. Das NATO-Mitglied Belgien hatte Geheimdienst- und Militärapparat der NATO zur Verfügung. Ohne dem wäre Belgien kaum in der Lage gewesen, dieses Verbrechen zu begehen. Die BRD war schon damals in der NATO und in deren Vorläufern ein wesentlicher Verbündeter Belgiens. Niemand wird ernsthaft glauben, dass die BRD an diesem Verbrechen unbeteiligt war.

    Ich verweise hier auch auf den damaligen Fernseh-Dokumentarfilm "Kongo-Müller" von Scheumann und Heynowski.

    Wahr bleibt: der Kolonialismus war und ist eines der dunkelsten Kapitel der kapitalistischen Staaten.

  • Man kann sich das nicht alles so einfach machen, in seinen Strukturerwartungen. Der Kolonialismus war für das Deutsche Reich eine Prestigefrage, die viel mehr gekostet hat als gebracht.

     

    "Hat es und was hat es zu bedeuten, wenn gerade in einer anderen Berliner Schau („Der britische Blick“) im Gropius-Bau die historische Tür zum KZ Buchenwald mit selbiger Inschrift zu betrachten ist?"

     

    Ja, und zwar ist es ein vollkommen polemischer Bezug. Denn Suum Cuique (dt: Jedem das Seine) war der Wahlspruch der Hohenzollern/Preussens.

     

    Solange wir Kolonialismus durch die Opfer/Täter Narrative der Sozialisten um 1900 betrachten. können wir das Problem gar nicht richtig verstehen und perpetuieren die Sicht dieser Zeit. Denn welchselseitige Beherrschungs- und Handelsbeziehungen hat es immer gegeben hat. Ohne China kein Porzellanimport und keine Chinamode in Europa, ohne Pompeii und Antike keine Italienmode, ohne Mandat über Samoa keine Samoafantasien von Zeitgenossen. Tatsächlich hat das eine mit dem anderen nicht immer was zu tun. Auf Samoa gab es kaum Deutsche, gleichwohl wurde ihre Herrschaft später verklärt als mit in Auseinandersetzung zu den neuen Kolonialherren kam. Die Einschätzung der Niederschlagung des Aufstands in Deutschland reruht weitgehend auf dem Geprahle der Schutztruppe.

    • @Ansgar Reb:

      "welchselseitige Beherrschungs- und Handelsbeziehungen"

       

      Schönes euphemistisches Geschwurbel. Den Kolonialismus kennzeichnen aber nunmal höchst asymmetrische "Beherrschungs- und Handelsbeziehungen" - oder weniger verschwurbelt ausgedrückt: Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse. Und wenn man ausgerechnet in dem Zusammenhang nicht mehr von Beherrschten und Herrschenden, von Opfern und Tätern reden will, kann man sich die Beschäftigung gleich sparen. Was ja nicht heißt, dass man ins Moralisieren verfallen oder sich gar darauf beschränken sollte.

      • @Earendil:

        Genau. Nur ist es eine recht eurozentrische Annahme, dass Europa den Rest der Welt bis zur Dekolonialisierung unterjocht gehalten hat. Dabei vergisst man wie lange die Situation des "Abendlandes" durchaus prekär war. Die gleichwertige bis überlegene Stärke des islamischen Imperiums etwa. Dabei vergisst man auch, dass es zwei Seiten gibt.

         

        Wie groß war denn tatsächlich der Einfluss der deutschen Kolonialmacht in Somoa? Zudem müssen wir Kolonialismus auch in Alternativen denken. Wäre es für Samoa besser gewesen niederländische Kolonie oder wie später neuseeländische zu sein? Ist Samoa denn nicht mehr als "Samoa" nämlich eine deutsche Utopie der Kaiserzeit, mit dem Exotischen als kritische Reflektion der Gesellschaft?

         

        Wie britisch war Helgoland? Wie deutsch Sansibar, das gegen Helgoland getauscht wurde.

         

        Die deutsche Kolonialpolitik ist wenn man so will eine Nachahmung der Kolonialpolitik des britischen Empire. So wie man keine Flotte brauchte, brauchte man eigentlich keine eigenen Kolonien. Die Bilanz im Machtpoker der europäischen Mächte ist hart negativ.

         

        Wenn man also sagt Ausbeutung, dann unterstellt man ja, dass deutsche Kolonialpolitik funktioniert hat. Das hat sie aber eben nicht. Es war in jeder Hinsicht ein Minusgeschäft.