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Linkspartei streitet um SpitzenkandidaturWagenbartsch statt Wagenknatsch

Der linke und der rechte Flügel der Linken wollen Wagenknecht und Bartsch als Spitzenkandidaten. Das ist ein Affront für die Parteichefs.

Ja, nein, vielleicht? Die möglichen Spitzenkandidaten der Linkspartei Foto: imago/Metodi Popow

Berlin taz | Die parteiinterne Debatte in der Linkspartei um die Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl spitzt sich zu. In einer am Donnerstag veröffentlichten Stellungnahme von 40 Landes- und BundespolitikerInnen des linken und des rechten Parteiflügels begrüßten diese eine gemeinsame Spitzenkandidatur der beiden Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht. „Wir halten dieses Angebot auch für richtig, damit der Entscheidungsprozess über diese wichtige Entscheidung nicht ins Stocken gerät.“

Zugleich widersprachen sie der in Medien verbreiteten Darstellung Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch hätten sich auf einer Sitzung des geschäftsführenden Bundesvorstands und der Landeschefs in der vergangen Woche in Berlin selbst zu SpitzenkandidatInnen ernannt. Diese Darstellung sei „grob wahrheitswidrig und dazu geeignet, die notwendige Diskussion über die Spitzenkandidaturen zu „vergiften.“ Die UnterzeichnerInnen der Erklärung forderten „die unverantwortliche Legendenbildung und die Kampagne gegen Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch sofort einzustellen“.

Zu den UnterzeichnerInnen des Papiers gehören zahlreiche Bundestagsabgeordnete, darunter die „Reformer“ Jan Korte und Michael Leutert sowie die Parteilinken Diether Dehm, Sevim Dağdelen und Annette Groth. Auch die Landesvorsitzenden von Sachsen, Rico Gebhardt, und von Rheinland-Pfalz, Katrin Werner und Alexander Ulrich, stehen unter der Erklärung.

Bemerkenswert ist, dass auf der Liste Leute zusammen gekommen sind, die sonst in inhaltlichen Fragen wie Regierungsbeteiligungen, Auslandseinsätze der Bundeswehr oder Reform der EU auf keinen gemeinsamen Nenner kommen.

Nur zu zwei, nicht zu viert

Der Brief kann als weiterer Affront gegen die Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger gewertet werden. Die Auseinandersetzung nahm ihren Anfang als der rheinland-pfälzische Landesverband der Linkspartei vorpreschte und sich auf seiner VertreterInnenversammlung für eine Spitzenkandidatur des Duos Bartsch/Wagenknecht aussprach. Damit brachten sie den Fahrplan der Bundespartei durcheinander, nach dem die Parteivorsitzenden das erste Vorschlagsrecht haben. Nach ihrer ursprünglichen Planung wollen sie eigentlich erst zum Jahresende über ihr Personaltableau entscheiden lassen.

Auf dem internen Treffen des geschäftsführenden Parteivorstands mit den Landesvorsitzenden am 26. September im Karl-Liebknecht-Haus nahm Kipping den Ball auf und präsentierte nach Darstellung von TeilnehmerInnen mehrere mögliche Modelle für Spitzenteams vom Quartett bis zum Duo. Wagenknecht und Bartsch sagten damals und mehrfach danach, sie stünden für letztere Option zur Verfügung, für ein Spitzenquartett jedoch nicht. Der Auftritt der Bundestagsfraktionsvorsitzenden sei eindeutig als „Erpressung“ und „Kampfansage“ an Kipping und Riexinger zu verstehen gewesen, berichten einige TeilnehmerInnen der Runde.

Erst mal über Inhalte reden

Das Forum demokratischer Sozialismus (fds), in dem sich pragmatisch orientierte GenossInnen treffen, sprach sich in einer am Donnerstag veröffentlichten Erklärung dafür aus, zunächst die Debatte über die Inhalte und die Wahlstrategie zu führen und Personaldebatten hintenan zu stellen.

Die fds-BundessprecherInnen Luise Neuhaus-Wartenberg und Dominic Heilig sowie fds-Bundesgeschäftsführer Matthias Klätte kritisierten, dass der Vorstand den Strategieentwurf von Wahlkampfleiter Matthias Höhn umstandslos versenkt hatte. „Diese wurde im Kern wegen eines Halbsatzes, nämlich einem für eine Mehrheit des Parteivorstandes zu positiven Bezuges auf eine rot-rot-grüne Option nach der Bundestagswahl, abgelehnt.“ Die AutorInnen fragen, was denn die Partei reite, „eine Wahlstrategie ohne gewichtige Gründe, in dieser Art und vor allem ohne Idee nach einer praktikablen Alternative abzulehnen“.

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8 Kommentare

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  • Wie es wirklich war:

     

    (niemand ist vorgesprescht, sondenr Kipping hat nachgefragt): http://www.nachdenkseiten.de/?p=35251

    Und eine interessante Dokumentation des Medienspins, in dem man die ein oder andere Lektion über unsere Medien lernen kann: http://norberthaering.de/de/27-german/news/691-selbskroenung-kipping

  • Gegen jeden Populismus!

    Wählt Sonneborn/Böhmermann!

  • Bei positiver Betrachtung: Diskutierfreudig und facettenreich.

    Bei negativer Betrachtung: Ein typisches Durcheinander bei einer Partei außerhalb demokratischen und verlässlicher Erwartungen.

     

    Die Wahrheit liegt dazwischen. Und die anderen Parteien klopfen sich die Schenkel.

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    "Bemerkenswert ist, dass auf der Liste Leute zusammen gekommen sind, die..."

     

    Hatten die Leute gemeinsam Sex oder hat die Autorin kein Internet, damit sie beim Herrn Duden googlen konnte?

  • Naja, es scheint ja so gewesen zu sein, daß es am 26.9. vor der Beratung des geschäftsführenden Parteivorstands, der Fraktionschefs und der Landesvorsitzenden inoffizielle Gespräche zwischen den Parteivorsitzenden Kipping und Riexinger und den Fraktionschefs Wagenknecht und Bartsch zum Thema Spitzenkandidatur gegeben hat.

    Dabei sollen letztere deutlich gemacht haben, daß sie für bestimmte Optionen (Damendoppel und Viererspitze) nicht zur Verfügung stehen.

    Warum Kipping dann in der offiziellen Beratung in Anwesenheit der Landesvorsitzenden noch einmal alle Optionen als möglich vorstellt, erschließt sich mir nicht ganz.

    Wagenknecht und Bartsch kamen dadurch in die Zwickmühle, entweder nichts zu sagen, was als stillschweigende Zustimmung bewertet würde, oder erneut darauf hinzuweisen, daß zwei der vorgestellten Optionen eben nicht möglich sind. Letzteres haben sie getan, was natürlich den Dissens öffentlich machte.

    Aus diesem Vorfall eine "Erpressung" oder gar eine "Selbstkrönung" zu konstruieren, ist schon ziemlich böswillig.

    • 7G
      74450 (Profil gelöscht)
      @jhwh:

      "Aus diesem Vorfall eine "Erpressung" oder gar eine "Selbstkrönung" zu konstruieren, ist schon ziemlich böswillig."

       

      Da geht es doch ganz einfach nur um schnöde Machtfragen. Im unwahrscheinlichen Fall einer RRG-Regierung könnte die "Linke" kaum mehr als zwei Ministerien beanspruchen. Würde die Partei mit einem Quartett antreten, gäbe es hinterher Gerangel darum, wer an die Fleischtöpfe darf. Bei nur zwei KandidatInnen stellt sich diese Fage nicht.

      • @74450 (Profil gelöscht):

        Es sieht zwar so aus als wäre es nahe liegend, dass es "nur" um die Fleischtöpfe" gehen würde, ich glaube jedoch, dass sich dahinter auch die Frage nach der richtigen Richtung der Politik - also z.B. mit welcher Strategie soll im BT-Wahlkampf vorgegangen werden, sollte wirklich nach der Wahl über "rot-rot-grün" verhandelt werden, falls es mathematisch reichen würde? - verbirgt.

         

        Man sollte, auch wenn es zur Zeit modern und "in" ist, nicht immer alles nur in Richtung von Pöstchen und Ämter verstehen (wollen).

  • Ich bin kein Freund der Linkspartei. Aber strategisch wäre es für sie tatsächlich besser, Wagenknecht nach vorne zu bringen. Katja Klippings Argumentation ist oft zu aufgeregt und persönlich, z.B. als sie Scheuer im ZDF untestellte, seine Aussagen führten zu "Rostock-Lichtenhagen". Wagenknecht bleibt bei sowas sachlicher und damit überzeugender, ohne auf eine Gegenposition zu verzichten.







    [...]

     

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